Venezuelas Staatschef Hugo Chávez präsentiert sich in derÖffentlichkeit gerne als legitimer Erbe des südamerikanischenBefreiungshelden Simón Bolívar, als diesen porträtieren ihn auch DarioAzzellini und Oliver Ressler in ihrer Dokumentation VENEZUELA VON UNTENaus dem Jahr 2004.
Eines muss man dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez lassen:er ist 1998 in freier und geheimer Wahl gewählt worden und hat esseither geschickt verstanden, auf demokratischem Wege das Land zu"kubanisieren", sprich die Institutionen des Landes völlig unter seineKontrolle zu bringen. Dabei profitierte er von der Explosion desÖlpreises ebenso wie von der Schwäche der alten Eliten, die ihm durcheinen dilettantisch durchgeführten Putschversuch im Jahr 2002 undandere unbeholfene Maßnahmen, wieder an die Macht zu gelangen, nochmehr Anhänger in die Arme trieben und eine absolute Parlamentsmehrheitverschafften. Chávez' persönliche Macht hat sich seitdem auf weiteTeile des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensausgeweitet. Mit seiner Kampfansage an den Neoliberalismus,seinen beständigen Provokationen gegenüber der Weltmacht USA ist er zumneuen Helden der Linken aufgestiegen. Das erklärte politische Ziel desCaudillos ist es, am Ende seiner "bolivarischen Revolution" einenmodernen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" geschaffen zu haben. Seitkurzem muss er auf dem Weg dorthin Rückschläge hinnehmen: im Dezemberdes vergangenen Jahres verlor er beispielsweise eine Volksabstimmung,die über seine sozialistische Verfassungsreform entschied. Eine knappeMehrheit der Bevölkerung stimmte gegen das Referendum und die damitverbundene Ausweitung der Machtfülle des Präsidenten. Es war das ersteMal seit 1999, dass Chávez eine Abstimmung verlor. Ob er wirklich, wievon ihm angekündigt, bis ins Jahr 2050 (!!) hinein regieren wird,ist also fraglich. Entgegen aller sozialistisch-populistischer Phrasenund trotz seiner erklärten Feindschaft zu George W. Bush bleibt Chávezaber ein mit Weitsicht handelnder Pragmatiker. Jenseits allerErklärungen hat er keinerlei Berührungsängste gegenüberinternationalen, auch US-amerikanischen, Großkonzernen. Als Partner fürdie Ölförderung und auch als Kunden sind die USA nun mal für dievenezolanische Wirtschaft unverzichtbar
Dies ignorieren dieFilmemacher Oliver Ressler und Dario Azzellini in ihrer DokumentationVENEZUELA VON UNTEN aber geflissentlich. Hier wird die Regierung desCaudillos als Kulminationspunkt eines historischen Prozessesdargestellt, eines historischen Prozesses hin zum Besseren. Chávez seidie große Integrationsfigur der Linken, er biete der Bevölkerungpolitische Stabilität und soziale Sicherheit, zudem habe er einenfriedlichen Pakt zwischen Bevölkerung und Militär geschaffen.Tatsächlich haben die Rekordeinnahmen aus den Ölexporten dervenezolanischen Regierung die Realisierung allerlei Sozialprogrammeermöglicht, die ihr große Popularität bei der Mehrheit der Armenunter der Bevölkerung eingebracht haben. Ihre Sozialpolitik(Alphabetisierungskampagnen etc.) vermittelte dieser großen, bislangvon den alten Machteliten marginalisierten Gesellschaftsschicht einbislang ungekanntes Selbstwertgefühl. Die "einfachen Leute" fühlen sichgut von Chávez repräsentiert.
Die Schattenseiten der Regierung,etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, den anachronistisch anmutendenPersonenkult um den Caudillo, werden von den Filmemachern von VENEZUELAVON UNTEN weitgehend ausgeblendet. Zu Wort kommen vor allemAnhängerInnen und AktivistInnen der bolivarischen Bewegung, die sichals Teil des "historischen" Prozesses sehen. Sinnvoller wäre es, eineausgewogenere, vorsichtigere politische Bilanz nach fast einer Dekadeder Regierung Chávez zu ziehen. Aber wie immer bei dieser Art vonDokumentarfilmen, gehen die Meinungen auseinander...
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