Neuigkeiten über Venezuela sind hier zu Lande gleichbedeutend mitBerichten über die neuesten Eskapaden von Staatspräsident Hugo Chávez.Als Filmnation ist die "RepúblicaBolivariana" bislang nicht so sehr in Erscheinung getreten. Dass ausdem Karibikstaat interessante, ja sogar faszinierende Filme kommen,wurde jüngst bei zwei Filmfestivals deutlich.
Im Forum der "Berlinale" wurde vor einigen Wochen die restaurierteFassung von ARAYA präsentiert. ARAYA ist ein Klassiker unterlateinamerikanischen Dokumentarfilmen. Die einzige Regiearbeit vonMargot Benacerraf gewann 1959 in Cannes - zusammen mit Alain ResnaisHIROSHIMA, MON AMOUR - den internationalen Kritikerpreis. RobertFlaherty, Luchino Viscontis neorealistischer Klassiker LA TERRA TREMAsowie Sergej Eisensteins QUE VIVA MEXICO standen Pate für BenacerrafsPorträt von drei Familien auf der Halbinsel Araya im NordostenVenezuelas, einer der unwirtlichsten Gegenden des Karibikstaates, woseit Jahrhunderten Salz abgebaut wird. Von zeitgenössischen Kritikernund Filmemachern wie Jean Renoir wird ARAYA als Filmpoem bezeichnet.Tatsächlich sind die kontrastreichen schwarz-weiß Bilder von GiuseppeNisoli, die an die Bildkompositionen Gabriel Figueros anmuten vonaußergewöhnlicher Schönheit.
Ein anderer Filmist Alberto Arvelos CYRANO FERNÁNDEZ, ein alter Stoff, der doch dieAktualität in Venezuela schonungslos offenlegt. Wie man schon erahnenkann beruht der Film auf Edmond Rostands 1897 entstandenem VersdramaCYRANO DE BERGERAC. Der Edelmann Cyrano leidet in der Vorlage an seinerHässlichkeit, seinem entstellten Gesicht. Er geht keinem Duell aus demWeg, doch tief im Innern ist er ein empfindsamer Poet. Heimlich liebter die schöne Roxane, doch er fürchtet, dass sie ihn zurückweist undverbirgt seine Gefühle deshalb vor ihr. Der junge Mann, dem sie ihrHerz schenkt ist nicht besonders intelligent, aber Cyrano leiht ihmseine Poesie, mittels seines Widersachers kann er seine Gefühlefür Roxanne ausdrücken. Auch als sein Konkurrent gestorben ist, gestehtCyrano seiner Roxanne immer noch nicht, wer der Urheber seinerLiebesbriefe ist.
Arvelos Cyrano lebt in den Slums vonCaracas und ist zudem noch ein wahrer Robin Hood. Auch er muss erst imSterben liegen bevor er merkt, dass er Roxana jahrelang falscheingeschätzt hatte. Alberto Arvelo hat die Dreiecksgeschichte virtuosin den Teil der Metropole von Venezuela verlegt, in dem Menschenlebennicht viel gelten. Sein CYRANO ist ein äußerst politischer Film, nicht"Anti-Chávez" aber er kritisiert die endemische Kriminalität, diegepaart mit der überbordenden Korruption das Land lähmen. LautSchätzungen (denn von offizieller Seite darf es im Sozialismus des 21.Jahrhundert - und Venezuela ist eine sozialistisch-bolivarischeRepublik - keine Kriminalität geben und daher gibt es auch keineStatistiken und Auskünfte über Gewaltkriminalität) sind 2008 über14.000 Menschen ermordet worden, was einer Mordrate von 52 Personen auf100.000 Einwohner entspricht.
CYRANO FERNANDEZ ist einespannende, intelligente Literaturadaption, die von den "klassischenThemen", von der Liebe und dem Krieg handelt.
WeitereInformationen zu Alberto Arvelos Filmen sowie zu weiterenFilmproduktionen aus Venezuela finden sich im Newsarchiv sowie imLexikon von kinolatino.de
[Zurück]