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TOCAR Y LUCHAR

In Mailand fiel in der "Scala" jüngst eine Aufführung von LA BOHÈME einem Streik zum Opfer. An der ehemaligen Wirkungsstätte des großen Arturo Toscanini sollte Gustavo Dudamel mit Puccinis Oper sein Dirigat-Gastspiel einleiten. Dudamel ist mit grade einmal 27 Jahren der Shooting-Star im elitären Kreis der "Maestros", sein Mentor Sir Simon Rattle prophezeit ihm eine große Karriere. Die Herzen der Klassik-Fans hat der Venezolaner, wie man bei seinem triumphalen Auftritt in der der Berliner Waldbühne am 15. Juni zusammen mit den Berliner Philharmonikern nur unschwer erkennen konnte, schon längst erobert. Alberto Arvelos Dokumentation TOCAR Y LUCHAR handelt von dem Simón-Bolívar-Jugendorchester  mit dem Gustavo Dudamel seine ersten Erfolge feierte. 

In Thomas Bernhards Porträt "Wittgensteins Neffe. Die Geschichte einer Freundschaft"gibt es leidenschaftliche Diskurse über die klassische Musik, über Triumphatoren und Untergeher am Dirigierpult und über Herbert von Karajan. Karajan sei ein "Musikarbeiter" gewesen "je berühmter, desto besser". Sein Genie habe sich habe sich von nichts und niemandem irritieren lassen. 
Ob Gustavo Dudamel auch einmal im gleichen Atemzug wie Herbert von Karajan, Leonhard Bernstein oder Wilhelm Furtwängler genannt werden wird, steht noch in den Sternen, aber derzeit sieht es so aus, als sei Dudamel ein "unbeirrbarer Musikarbeiter", der langsam aber sicher den Grad der Meisterschaft und der Perfektion erreicht. Sein Mentor, der Brite Sir Simon Rattle schwärmt in den höchsten Tönen von Dudamel, der vor wenigen Wochen auch mit den ehemaligen Karajan-Musikern, den Berliner Philharmonikern zusammenarbeitete. Ihr traditioneller Saisonabschluss in der Berliner Waldbühne (mit dem Programm "Los ritmos de la noche", das nur aus Musik ibero-lateinamerikanischer Komponisten bestand) und ihr Gastdirigent wurden von den über 20.000 Zuschauern mit minutenlangen Standing-ovations bedacht. Der Aufstieg von dem 1981 in Barquisimeto in Venezuela geborenen Dirigenten, Geiger und Komponisten vollzog sich rasant. 2004 gewann er den Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb der Bamberger Symphoniker, 2005 gab er sein USA-Debüt, 2007 spielte er für das Traditionslable "Deutsche Gramophon" Aufnahmen ein und dirigierte ein Konzert anlässlich des 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. im Vatikan, 2009 wird er als das Chefdirigat beim Los Angeles Phiharmonic Orchestra übernehmen.
Mit seiner Unbefangenheit, mit seinem Humor, Charme, mit seiner erfrischenden "Normalität" - lernt man ihn kennen, bestätigt sich schnell der Eindruck, dass ihm der Ruhm nicht über den Kopf gewachsen ist - aber auch mit seiner Leidenschaft für die Musik, die man in jedem Augenblick spürt, nimmt Dudamel das Publikum für sich schnell ein. 
 

Dudamel ist ein Star, er ist das Aushängeschild des "Simón-Bolívar-Jugendorchesters", er hat es bekannt gemacht und ist verantwortlich dafür, dass deren Konzerte Monate im Voraus ausverkauft sind, das Fernsehen und Printmedien sich für das "Sistema" interessieren. Durch das "Sistema" ist er groß geworden, ihm hat er seine Karriere zu verdanken, ihm widmete der venezuelanische Regisseur Alberto Arvelo seinen Dokumentarfilm TOCAR Y LUCHAR. Aber was ist das "Sistema"?

Caracas ist eine Metropole, etwa ein Drittel der Bewohner Venezuelas wohnt hier. Venezuela ist einer der wenigen Profiteure der explodierenden Ölpreise; unter der Bevölkerung selbst gibt nur wenige, die bei denen die Petrodollars auch ankommen, zwanzig Prozent der Bevölkerung hat nicht mehr als 2,8 Prozent Anteil am Bruttoinlandseinkommen, die "barrios" - die Elendsviertel überdecken weiterhin die einst malerischen Hügel; die Kriminalitätsrate in der Stadt ist hoch. Sie war es schon vor knapp 30 Jahren, als José Antonio Abreu seine Idee zu verwirklichen begann: mit Hilfe von Bach, Beethoven oder Tschaikowsky wollte er gegen grassierende Armut, Verwahrlosung und Kriminalität angehen. Seine Logik hiess: "Wenn Jugendliche gute Musiker werden, werden sie gleichzeitig bessere Menschen und umgekehrt." Er baute ein Jugendorchestersystem auf, das sich auf die Fahnen schrieb, jedem Kind, ungeachtet seiner sozialen Herkunft eine musikalische Ausbildung zu ermöglichen: Die Kinder Kinder bekommen ein Musikinstrument zur Verfügung gestellt und erhalten kostenlos Unterricht. Fünf Mal die Woche, vier Stunden täglich. Die Kinder lernen Verantwortungsbewusstsein, Pünktlichkeit und Disziplin - Tugenden, die ihnen auch im Altag nützlich sind. Ihre musikalischen Fortschritte verschaffen ihnen zusätzlich Selbstbewusstsein. 
Abreus Idee entwickelte sich zu einer Erfolgsgeschichte. Die erste Probe fand mit 11 Schülern in einem Parkhaus statt. Kontinuierlich wurde die FESNJIOV, die "Stiftung des nationalen Systems venezolanischer Kinder- und Jugendorchester und chöre" auf- und ausgebaut. Heute profitieren 250.000 Kinder von der Initiative, auch für blinde und taubstumme Kinder wurden Formationen geschaffen. Es sind zwar nur wenige Straßenkinder darunter, aber viele arme, die sonst niemals zur Musik gekommen wären. Das "Sistema" wird zum Großteil von der Regierung finanziert: 15.000 Musikschullehrer werden bezahlt, es gibt heute in den verschiedenen "nucleos" im ganzen Land insgesamt 100 Musikschulen, 30 professionelle Orchester, 60 Kinder- und mehr als 120 Jugendorchester. Die Besten der Besten schaffen es in das Simón-Bolivar-Jugendorchester und dieses ist - und dies war die große  Überraschung für außenstehende Beobachter - in überraschendem Ausmaß auch international konkurrenzfähig. Südamerika - lange Zeit ein weisser Fleck auf der musikalischen Landkarte hat - auch durch die Erfolge Juan Diego Flórez oder Rolando Villazóns, vor allem aber duch das "Sistema" das Interesse der Feuilletons und renommierter Dirigenten der vorher europazentrierten klassischen Musikszene geweckt. Besonders Sir Simon Rattle haben es die jungen Musiker des Simón-Bolívar- Orchesters - die meisten im zarten Alter von vierzehn bis 23 Jahren - angetan. In TOCAR Y LUCHAR sagt er erstaunt, dass die musikalische Qualität, sich kaum von dem Niveau, auf dem er sonst arbeite unterscheide. Mehr noch, sie verliehen den von ihn gespielten Stücken noch eine zusätzliche Ebene: eine farbenfrohe Lebendigkeit und Unbekümmertheit. Und seine Begeisterung ist kein falsches Pathos. Durch seine Beschäftigung mit diesem Phänomen stieß Rattle auch auf Gustavo Dudamel, der damals noch Abreus Assistent war.

Obwohl das "Sistema" in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen sorgte, ist es hier in Europa kaum zu glauben, dass sich nahezu ein ganzes Land mit Musik auseinandersetzt. TOCAR Y LUCHAR ist insofern ein wichtiger Film, dass er eine neue Facette eines Landes präsentiert, dessen Außenwirkung fast nur aus neuesten Meldungen über den Populisten Chávez besteht. TOCAR Y LUCHAR geht auch über das Phänomen Dudamel hinaus, stellt die anderen Kinder, aus den "barrios" in den Vordergrund - zeigt ihre Hoffnungen und Wünsche und vermittelt die Lebensfreude, die ihnen die Musik gibt. Der Star ist das Orchester. 2006 wurde TOCAR Y LUCHAR außer Konkurrenz auf dem Filmfestival von Mar del Plata (Argentinien) gezeigt. Es gab minutenlange Standing-Ovations für die anwesenden Musiker, bei dem Großteil des anwesenden Publkums sah man Tränen der Rührung und der Freude in den Augen. 
José Antonio Abreu, für den die klassische Musik die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, hat ein kleines Wunder in Gang gesetzt, das allerdings noch nicht vollendet ist, sondern erst dann, wenn sich die venezolanischen Gesellschaftsverhältnisse zum Besseren gewandelt haben. Es ist noch ein langer Weg dahin, aber der weltweite Erfolg des "Sistema"und die mediale Beachtung verkürzen ihn vielleicht und hoffentlich.

Abreu wurde 2002 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, TOCAR Y LUCHAR mit zahlreichen Publikumspreisen bei internationalen Filmfestivals. 


 


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