Während der 90er Jahre des 20. Jahrhundert durchlebte Argentinien einen gravierenden Prozess strukturellen Wandels. Das Land wandte sich das Land dem "neoliberalen Modell" zu. Die unter der Präsidentschaft Carlos Menems durchgeführten Reformen hatten tiefe politische und wirtschaftliche Veränderungen zur Folge und verursachten- verstärkt durch Nepotismus, Korruption, Missmanagement etc. - Arbeitslosigkeit und eine damit verbundene Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Zur Katastrophe kam es im Dezember 2001 als eine wirtschaftliche Rezession das Land bis in die Zahlungsunfähigkeit führte. Es kam zu schweren politischen Unruhen. Eines der ersten Opfer des schließlich gescheiterten neoliberalen Experimentes war die Stadt Mosconi in der Provinz Salta im Nordwesten des Landes. Noch in den 80er Jahren garantierte die Gas- und Ölgesellschaft YPF Vollbeschäftigung und relativen Wohlstand. Mit der Privatisierung des Staatskonzerns wurden auf einen Schlag 70 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. Eine Gruppe von Bewohnern der quasi Geisterstadt, die von der Regierung im Stich gelassen wurde, übernahm schließlich selbst die Initiative. Jeanine Meerapfels Film MOSCONI - ODER WEM GEHÖRT DIE WELT handelt von den engagierten Menschen Mosconis und wurde auch mit deren Beteiligung gedreht.
Die Protagonisten des Films sind eine Gruppe von Menschen, die sich nicht mit Arbeitslosigkeit, Naturzerstörung und Verarmung in Mosconi abfinden wollen, sie haben die UTD, die Union Arbeitsloser Arbeiter - eine Art Gewerkschaft- gegründet. Sie kämfpen heute um das Überleben ihrer Stadt. Im Rahmen des Privatisierungsprozesses des Hauptarbeitgebers YPF lösten sich nicht nur die traditionellen Arbeitsverhältnisse auf, sondern das gesamte System infrastruktureller Versorgung. Die Kleinstadt befindet sich auf "tierra caliente", auf fruchtbaren und ressourcenreichen Boden. Dennoch kann sich die Mehrheit der dort lebenden Bevölkerung nicht einmal eine Gasflasche leisten, Wasser gibt es nur sporadisch und wenn, dann ist es auch verschmutzt. Die neuen Besitzer der Gas- und Ölindustrie investierten nichts in die Anlagen; durch nicht reparierte Bruchstellen wird das Grundwasser immer mehr verschmutzt, überdurchschnittlich viele Bewohner der Stadt leiden an chronischen Krankheiten. Aber auch die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. Überhaupt: die gesamten öffentlichen Institutionen dämmern vor sich hin und leisten nur sporadisch Dienste. Die Mitglieder der UTD organisierten Proteste, forderten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Nahrungsmittelhilfen von der Provinzregierung. Als diese Hilfe verweigerte, nahmen die Proteste im Laufe der Zeit an Intensität und Komplexität zu - das Prinzip der "piquetes" wurde in dieser Region geboren. Aus dem Protest entwickelte sich eine komplexe Überlebensstrategie. Mit wenig finanziellen Mitteln, aber mit Solidarität und viel Kreativität wird das soziale Netz in Mosconi wieder hergestellt, Prinzipien, die eigentlich in den Aufgabenbereich des Staates gehören, werden von der Bevölkerung übernommen. Der Film handelt von den Aktionen der UTD, ihrer Arbeitsweise, ihren Projekten, die vom Wohnungsbau, bis hin zum Umweltschutz reichen und von ihrer Lebenshaltung. Es ist so verblüffend, was die Menschen von Mosconi leisten, dass sie Studienobjekt soziologischer Untersuchungen geworden sind. Jeanine Meerapfels reiste 2005 bis 2007 in den äußersten Nordwesten Argentiniens, organisierte Film- und Filmschnitt-Workshops, die Protagonisten wurden zu Mit- Machern des Dokumentarfilms. Das Projekt wurde maßgeblich und nachhaltig vom Goethe Institut in Buenos Aires unterstützt. MOSCONI - ODER WEM GEHÖRT DIE WELT ist Teil der Jeanine-Meerapfel-DVD-Werkausgabe, ist aber derzeit auch auf diversen Filmfestivals (beispielsweise ab Anfang Juni in Innsbruck) zu sehen.
Weitere Informationen zu Mosconi sind auf der Internetseite des Goethe Institutes von Buenos Aires zu finden
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