Seit Donnerstag im Kino. Ein Film über Hélio Oiticica (1937-1980).
Hélio Oiticica (1937-1980) ist einer der bedeutendsten brasilianischen Künstler des 20. Jahrhunderts. Er war sozusagen der "Punk der zeitgenössischen bildenden Kunst Brasiliens", wie ihn die argentinische Malerin Heliana Rucco bezeichnete. Er war ein Enfant terrible, so die Kunstpreisträgerin weiter, aber sein Protest hatte Substanz: "Fue un escandaloso pero con un fuerte contenido social (...) vivió una época que necesitaba quebrar con la tradición y lo hizo conconsciencia, viviendo la marginalidad y la fiesta."
 
In seinem Found-Footage-Dokumentarfilm verzichtet der Filmemacher und Neffe des Künstlers Cesar Oiticica Filho auf Kommentar und Interviews und lässt stattdessen in Film- und Tonarchivaufnahmen seinen Onkel selbst zu Wort kommen. Aus den Zeugnissen des Künstlers erfahren wir so etwas über Oiticicas künstlerische Entwicklung und seine umfassenden politischen und ästhetischen Interessen. 
 Oiticia war Grenzgänger zwischen Malerei, Performance, Kino, Musik. Er hatte in den fünfziger und sechziger Jahren im Stil der brasilianischen Neokonkreten gemalt, wobei er schon früh mit der Farbe in den Raum vordrang und Formen suchte, um die ganze Physis des Betrachters an ihr teilhaben zu lassen. "Parangolés" nannte er die farbigen Umhänge, die beim Sambafestival auf der Straße die Tänzer in lebende Skulpturen verwandelten. Die Siebziger erlebte Oiticica in New York, wo er ein Werk von "geregeltem Delirium" und "organisierter Trance" schuf.
Der Regisseur,  selbst ein Künstler, dessen Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Fotografie und Film angesiedelt sind, tritt mit seinem Langfilmdebüt mit dem Werk seines Onkels in Dialog und versucht seinen berühmten Verwandten besser kennenzulernen. Cesar Filho war erst 12 Jahre alt, als Oiticica verstarb.
Der Film erzeugt eine Art visuellen Rausch, rhythmisch montierten Bilder illustrieren die Erzählungen des Künstlers nicht einfach nur, sondern stellen sie in neue Zusammenhänge und gehen weit über sie hinaus. Es ist kaum verwunderlich, dass die Macher des Films etwa ein Jahr für die Montage des Materials aufgewendet haben.
Der Film kann begleitend zur aktuell in Frankfurt stattfindenden Ausstellung über Hélio Oiticica im Museum für Moderne Kunst  in Frankfurt gesehen werden.
 
 
Hélio Oiticica. Das große Labyrinth. Museum für Moderne Kunst, Frankfurt, bis 12. Januar. 
 
 
Text: Kino Gesellschaft Köln, Sven Pötting 
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