Im Rahmen der Bremer Filmreihe "Filme vom Havanna Filmfestival - Der neue lateinamerikanische Film" wurde am 7.6. auch Florian Borchmeyers Film HAVANNA - DIE NEUE KUNST RUINEN ZU BAUEN aus dem Jahre 2006 gezeigt. Ein böser Seitenhieb...
...Denn Florian Borchmeyers Film wurde nie in Havanna gezeigt. Zur Erläuterung drucken wir an dieser Stelle einen Artikel ab, der 2007 erstmals auf kinolatino.de veröffentlicht wurde.
Am Malecón wird DIE NEUE KUNST, RUINEN ZU BAUEN meisterlich betrieben. Notgedrungen: die Infrastruktur des krisengeschüttelten Havannas, der einstigen "Perle der Karibik", hatte in den vergangenen vier Jahrzehnten unter Wirtschaftsblockade und real existierendem Sozialismus genauso zu leiden wie die Bevölkerung. Von dem Zustand der Stadt, ihrer Häuser und dem Seelenzustand ihrer Bewohner handelt die deutsch-kubanische Dokumentation HAVANNA - ARTE NUEVO DE HACER RUINAS (HAVANNA - DIE NEUE KUNST, RUINEN ZU BAUEN), die fünf Menschen porträtiert, die dort in von Einsturz bedrohten Gebäuden leben. Florian Borchmeyers Film ist in Deutschland leider nur auf wenigen Leinwänden zu sehen (immerhin wurde ihm der Bayerische Filmpreis 2006 verliehen!). In Kuba wurde er, da er von den dortigen Funktionären auch als das, was er ist, als Metapher für die soziale, politische und wirtschaftliche Situation des Landes, angesehen wird, kurzerhand verboten. Die Behörden strichen ihn von der vom Goethe-Institut betreuten und von der Bundesrepublik finanzierten "Werkschau des deutschen Films". Von offizieller Seite gab es aus Deutschland traurigerweise keinen Protest gegen diese Maßnahme.
In morbid- schönen Bildern porträtiert der Film die zerfallende Architektur in der Metropole. Diese ist gleichzeitig Ausdruck und Folge des dramatischen Wandels der Lebensverhältnisse auf der sozialistischen Insel. Der Film bleibt immer nah bei seinen Protagonisten, deren Heimat und Wohnort "ruiniert" sind und die sich darin eingerichtet haben, obwohl sie jeden Tag damit rechnen müssen, dass ihnen das Dach über dem Kopf zusammenstürzt. Dieses von Florian Borchmeyer gezeigte Havanna entspricht natürlich nicht dem offiziell verordneten Bild von Kuba, nach dem der unaufhaltsame sozialistische Fortschritt derzeit nur eine kurze Verschnaufpause eingelegt hat.Gut, Regisseur und Produzent hatten schon im Vorfeld damit gerechnet, dass ihr Filmvorhaben von den kubanischen Funktionären nicht mit Kusshand begrüßt werden würde. Bereits die Dreharbeiten waren kafkaeske Auseinandersetzungen mit Behörden und Zensur und konnten nur mit äußerster Vorsicht, Chuzpe und Tarnbezeichnungen im Drehbuch durchgeführt werden.
Es verwundert auch nicht, daß man am fünfzigsten Jahrestag der Kubanischen Revolution und zur nachgeholten Feier des achtzigsten Geburtstags von Fidel Castro diesen kubakritischen Beitrag nicht auf einer Leinwand von Havanna sehen wollte, dennoch ist es höchst peinlich, dass das Verbot von deutscher Seite so rasch, ohne dagegen zu protestieren, akzeptiert wurde. Die freiwillige Preisgabe der Meinungsfreiheit und die stillschweigende Billigung der Zensur gehören nicht zu den Aufgaben der Diplomatie, die auch in diesem Fall hätte tätig werden müssen. Der Zensurfall, der hierzulande zumindest von der FDP kritisiert wurde, wurde sogar unter der kubanischen Bevölkerung publik. Er wurde in einer kubanischen Exilzeitung erwähnt, die bis nach Havanna Verbreitung gefunden hat und sorgte für das Gegenteil von dem, was die Behörden intedierten: die Zensur hat ein Interesse an dem Film entfacht, was auch die Behörden nicht mehr aufhalten können. In illegalen Videotheken kursieren bereits erste Raubkopien.
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