AmMalecón wird DIE NEUE KUNST, RUINEN ZU BAUEN meisterlich betrieben.Notgedrungen: die Infrastruktur des krisengeschüttelten Havannas, dereinstigen "Perle der Karibik", hatte in den vergangenen vierJahrzehnten unter Wirtschaftsblockade und real existierendemSozialismus genauso zu leiden wie die Bevölkerung. Von dem Zustand derStadt, ihrer Häuser und dem Seelenzustand ihrer Bewohner handelt diedeutsch-kubanische Dokumentation HAVANNA - ARTE NUEVO DE HACER RUINAS(HAVANNA - DIE NEUE KUNST, RUINEN ZU BAUEN), die fünf Menschenporträtiert, die dort in von Einsturz bedrohten Gebäuden leben. FlorianBorchmeyers Film ist in Deutschland leider nur auf wenigen Leinwändenzu sehen (immerhin wurde ihm der Bayerische Filmpreis 2006 verliehen!).In Kuba wurde er, da er von den dortigen Funktionären auch als das, waser ist, als Metapher für die soziale, politische und wirtschaftlicheSituation des Landes, angesehen wird, kurzerhand verboten. Die Behördenstrichen ihn von der vom Goethe-Institut betreuten und von derBundesrepublik finanzierten "Werkschau des deutschen Films". Vonoffizieller Seite gab es aus Deutschland traurigerweise keinen Protestgegen diese Maßnahme.
In morbid- schönen Bildern porträtiert der Film die zerfallendeArchitektur in derMetropole. Diese ist gleichzeitig Ausdruck und Folge des dramatischenWandels der Lebensverhältnisse auf der sozialistischen Insel. Der Filmbleibt immer nah bei seinen Protagonisten, deren Heimat und Wohnort"ruiniert" sind und die sich darin eingerichtet haben, obwohl sie jedenTag damit rechnen müssen, dass ihnen das Dach über dem Kopfzusammenstürzt. Dieses von Florian Borchmeyer gezeigte Havannaentspricht natürlich nicht dem offiziell verordneten Bild von Kuba,nach dem der unaufhaltsame sozialistische Fortschritt derzeit nur einekurze Verschnaufpause eingelegt hat. Gut,Regisseur und Produzent hatten schon im Vorfeld damit gerechnet,dass ihr Filmvorhaben von den kubanischen Funktionären nicht mitKusshand begrüßt werden würde. Bereits die Dreharbeiten waren kafkaeskeAuseinandersetzungen mit Behörden und Zensur und konnten nur mit äußerster Vorsicht, Chuzpe und Tarnbezeichnungen im Drehbuchdurchgeführt werden.
Es verwundert auch nicht, daß man am fünfzigsten Jahrestag derKubanischen Revolutionund zur nachgeholten Feier des achtzigsten Geburtstags von Fidel Castrodiesen kubakritischen Beitrag nicht auf einer Leinwand von Havannasehen wollte, dennoch ist es höchst peinlich, dass das Verbot vondeutscher Seite so rasch, ohne dagegen zu protestieren, akzeptiert wurde. Diefreiwillige Preisgabe derMeinungsfreiheit und die stillschweigende Billigung der Zensur gehörennicht zu den Aufgaben der Diplomatie, die auch in diesem Fall hättetätig werden müssen. Der Zensurfall, der hierzulande zumindest von derFDP kritisiert wurde, wurde sogar unter der kubanischen Bevölkerungpublik. Er wurde in einer kubanischen Exilzeitung erwähnt, die bis nachHavanna Verbreitung gefunden hat und sorgte für das Gegenteil von dem,was die Behörden intedierten: die Zensur hat ein Interesse an dem Filmentfacht, was auch die Behörden nicht mehr aufhalten können. Inillegalen Videotheken kursieren bereits erste Raubkopien.
Text: sp
Bild: Raros Media
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