Diese Woche widmet sich das Casa de América in Madrid den "Jungen Talenten des lateinamerikanischen Kinos". Aber was ist das: "Lateinamerikanisches Kino"? Die Frage wurde einer Diskussionsrunde gestellt, an der die Regisseure Alejandro González Iñárritu aus Mexiko, Daniel Burman aus Argentinien und Victor Gaviria aus Kolumbien teilnahmen.
Sie gingen alle unterschiedliche Wege, um schließlich beim Kino anzukommen. Daniel Burman (Jahrgang 1973) studierte Jura, bevor er sich an der Filmschule von Buenos Aires einschrieb, Alejandro González Iñárritu (Jahrgang 1963) verdiente als Musiker Geld, jobbte dann bei einem Radiosender in Mexiko-Stadt, dort lernte er, Geschichten zu erzählen, ging vom Radio in die Werbung, dann zum Fernsehen und schließlich zum Film. Victor Gaviria, der Senior des Trios (Jahrgang 1955) ist eigentlich Dichter, er wurde Regisseur, um die Realität in seinem Land besser abzubilden und erklären zu können. Die drei trafen im Casa de América in Madrid auf drei Debütanten: den Kolumbianer Javier Mejía, den Argentinier Jorge Gaggero und den Mexikaner Carlos Armella mit denen sie über Status quo und die Zukunft des lateinamerikanischen Kinos diskutierten. Überraschend ist, dass sich ausgerechnet González Iñárritu, der Regisseur, der mit AMORES PERROS das lateinamerikanische Kino aus einer langen Agonie weckte, gegen eine solche Etikettierung wehrt. Er ist der Meinung, dass "Kino einfach nur Kino" sei, so wie ein "Schäfer überall auf der Welt ein Schäfer sei, egal ob in Mexiko oder in Marokko". Kino sei ein universelles Phänomen, weil die Emotionen, die es wecke, überall gleich seien. Er versuche in seinen Filmen die menschliche Natur zu erforschen, ohne auf nationale Grenzen zu achten: "Ich mache Kino. Ich mache kein mexikanisches Kino!" Daniel Burman spricht bei diesem Aspekt lieber von kreativer Freiheit. Wenn er als Argentinier totale künstlerische und finanzielle Freiheit bei der Herstellung eines Filmes habe, werde es ein argentinischer Film. Aber auch wenn der Film von einer Major Company finanziert werde, bei dessen Herstellung eine Vielzahl von Personen mitwirken und er das Drehbuch nicht selber geschrieben habe, sei es kein "Gringo-Film", sondern ein Hybrid. Die Voraussetzungen der Regisseure könnten unterschiedlicher nicht sein. Während für den Hollywood - Star Iñárritu alle Türen offen stehen und er zusammen mit Guillermo del Toro und Alfonso Cuarón für ihre gemeinsame Produktionsfirma "Cha Cha Cha" einen äußerst günstigen Vertrag für eine Produktionspartnerschaft mit "Universal Pictures" heraushandeln konnte, arbeitet Burman weiterhin in Argentinien - ohne große Budgets. Gaviria muss sogar ohne finanzielle Unterstützung auskommen und die Finanzierung seiner Filme selbst aufbringen. Gemeinsam haben alle diese drei Regisseure nur, dass sie derzeit an neuen Projekten arbeiten, allesamt werden sie in Lateinamerika drehen.
Zur Person:
Victor Gaviria: Dichter, Drehbuchautor und Regisseur. Er drehte unter anderem: RODRIGO D. - NO FUTURO (1990), LA VENDEDORA DE ROSAS (1998) und SUMAS Y RESTAS (2004). Er gewann unter anderem Preise bei den Filmfestivals von Havana, Miami und Viña del Mar. 1990 und 1998 war er für die "Goldene Palme" in Cannes nominiert.
Daniel Burman: Er drehte unter anderem TODAS LAS AZAFATAS VAN AL CIELO (2002), EL ABRAZO PARTIDO (2004) und DERECHO DE FAMILIA (2006). Als Produzent wirkte er an den Filmen JUNTA (1999) und DIARIOS DE MOTOCICLETA mit. 2004 gewann er mit EL ABRAZO PARTIDO den SILBERNEN BÄREN.
Alejandro González Iñárritu wurde durch seine Filme AMORES PERROS (2000), 21 GRAMS (2003) und BABEL (2006) weltberühmt, gewann weltweit Preise auf Filmfestivals und war mehrfach für den OSCAR nominiert.
Text: sp + El País
Bild: Daniel Burman
Quelle: El Mundo
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