Wie der "Reggaetón" aus Puerto Rico oder die "Cumbia Villera" aus Buenos Aires ist der "Baile Funk" die Musik der armen Vorstädte einer Metropole. Entstanden ist er in den Favelas Rio de Janeiros, auf den Hügeln im Rücken der Stadt. An verschiedenen Orten in Deutschland ist derzeit die Dokumentation FAVELA ON BLAST zu sehen, die sich mit dem Phänomen Baile Funk beschäftigt.
Die Stilrichtung ist vom "Miami Bass", dem Funk, dem 80er Jahre-HipHop und dem Gangsta-Rap geprägt; Run DMC und 2-Live-Crew treffen auf George Clinton, 80er-Jahre-typische Drumcomputerbeats auf traditionelle Percussionrhythmen. Der krude Stilmix, normalerweise in ohrenbetäubender Lautstärke abgespielt, bringt auf wöchentlich über 200 Funkpartys - allein in Rio - das Publikum in Wallung. Die Texte handeln von Drogen, Gangs und Gewalt und spiegeln den sozialen Alltag der Favelas wider, wo auch die Mehrheit der "Funkeiros" herstammt. (Man muss sich einmal vergegenwärtigen, dass die Mordrate letzten Zahlen zufolge in dieser Stadt etwa sechzig Mal (!!) höher als in Deutschland oder Frankreich ist). Die Musik ist Adrenalin; der Tanz ist wie enthemmter Sex. Mittlerweile finden den brasilianischen Funk die weißen, wohlhabenden Kids von Rio ebenfalls "chic" und tanzen in Copacabana , Leblon, oder Ipanema - wie es zu dieser Musik üblich ist - in knappen Tops und minimalen Miniröcken in den Clubs dazu - natürlich dürfen ihre Eltern nichts von diesem "unanständigen" Hobby wissen.. Dennoch, trotz der mittlerweile globalen Verbreitung: die Eingangsszene von TROPA DE ELITE - auf der ein Schusswechsel mit Funkeiros die zwei Protagonisten des Films, zwei Polizisten, in arge Bedrängnis bringt, ist Realität; Baile-Funk-Partys sind gefährlich. Es ist nicht nur die Musik, die von Gewalt handelt, die Funkeiros tragen ganze Waffenarsenale mit sich herum, es kommt immer wieder zu Schusswechseln mit Polizisten auf Razzia. Massenschlägereien unter verfeindeten Gangs, gar Tote sind an der Tagesordnung.
Baile Funk ist wie die Drogen, wie die Waffen und die endemische Gewalt etwas typisches, Teil des Alltags in Rio de Janeiro. Und dies trotz seiner mittlerweile globalen Verbreitung: durch Musiker wie die Black Eyed Peas, Diplo, M.I.A. oder Fatboy Slim ist der Funk mittlerweile auch in Europa, Asien und den USA ein Begriff; brasilianische Musiker, wie die Frauenband Bonde do Role oder De Falla heizen hier mittlerweile ebenfalls auf großen Festivals das Publikum ein. Und die Filme, die diesen gefährlichen Alltag Rios in fiktiver (CITY OF GOD, TROPA DE ELITE) oder dokumentarischer Form (MORO NO BRASIL) darstellen, kommen ohne den Baile Funk-Soundtrack nicht aus.
DJ Diplo (Wesley Pentz) und Leandro HBL haben für ihren musikalischen Streifzug über zwei Jahre und in rund 60 Favelas recherchiert. Ihre Dokumentation FAVELA ON BLAST ist ein Porträt dieser fiebrigen und aggressiven Subkultur.
FAVELA ON BLAST ist derzeit u.a. im Berliner Haus der Kulturen der Welt zu sehen.
Hier gibt es nähere Informationen.
http://hkw.de/de/index.php
Wer sich auf dem Gebiet der brasilianischen Musik "weiterbilden" möchte, dem sei Mika Kaurismäkis MORO NO BRASIL empfohlen (Informationen gibt es im Lexikon von kinolatino.de)
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