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Die Illusion des Karnevals

Die ersten Bilder des Films zeigen ein antikes griechisches Relief: zu sehen ist ein junges Liebespaar. Die Zärtlichkeit ihrer Gesten wird durch die sanfte Melancholie ihrer Blicke kontrastiert. Gitarrenakkorde, die diese statische Einstellung untermalen, unterstreichen die Grundstimmung. Eine ungewöhnlichen Überblende zerstört im wahrsten Sinne des Wortes abrupt dieses Tableau. Die Gitarrenmusik geht über in laute Sambaklänge, statt der traurigen Liebenden sehen wir lachende Gesichter, tanzende Menschen und pure Lebenslust. Die Grautöne des Reliefs werden von grellen Farben abgelöst, die "Saudade" wird von karnevalesker Stimmung überlagert. Das antike Griechenland verwandelt sich in Brasilien, genauer: in Rio de Janeiro; der berühmte  "Zuckerhut" ist im Hintergrund zu sehen. Die ersten Sekunden des Films sind  perfekt inszeniert, deren Montage ist meisterhaft. Der Zuschauer wird in medias res in die Handlung eingeführt, seine Erwartungshaltung an den Film, die Assoziationen, die ihm durch den Titel des Films quasi aufgedrängt wurden, werden bestätigt. Denn der Titel dieses Films von Marcel Camus lautet ORFEU NEGRO. Es handelt sich - wie zu vermuten war -  um die Adaption der Sage von Orpheus und Eurydike, einer der größten Liebesgeschichten der Literatur. Die Geschichte wird in die fiebrige Stimmung des Karneval verlegt. Natürlich ist damit für die Kenner der Vorlage auch klar, dass die (Liebes)Geschichte der brasilianischen"Orfeu" und "Eurydice" tragisch endet, die Lebensfreude des Karnevals nur eine Illusion ist, die vom Lauf des Schicksal zerstört werden wird. 

Orpheus ist Sohn einer Muse und des Apollon. Der Mythos erklärt ihn zum Erfinder der Musik und des Tanzes. Mit seinem herzzerreißenden Gesang und Lyra-Spiel soll er alle Lebewesen betört und sogar die Natur für sich eingenommen haben; stets war er von zahlreichen Nymphen umgeben. Unter ihnen wählt er Eurydike zu seiner Geliebten. Als sie stirbt, steigt er wie Dante in die Unterwelt und bewegt Hades, ihm seine große Liebe zurückzugeben. Dieser Wunsch wird ihm gewährt, unter der Bedingung, dass sie auf dem ganzen Rückweg in die Welt der Lebenden hinter ihm gehe und er sich nicht nach ihr umdrehen dürfe. Diese Prüfung besteht Orpheus nicht: er hat Eurydike für immer verloren. 

In Marcel Camus Film ist Orpheus (Orfeu) ein lebenslustiger Straßenbahnschaffner, der Schwarm aller Frauen und der König des Karnevals. Mit seinem flüsternden Bossa Nova- Gesang bringt er sogar die Sonne über der Favela in der er lebt, zum scheinen. Eurydike (Eurydice) ist ein scheues Mädchen vom Lande, die ihren ersten Karneval erlebt. Doch trotz ihrer Jugend, ist der Tod ihr schon auf der Spur. Die Tragödie nimmt ihren Lauf: so wie das Schicksal die beiden unausweichlich zusammengebracht hat, reißt es sie auch wieder auseinander. Obwohl die Tragödie aus der Welt der Götter und Halbgötterin das einfache Leben einer Favela verlegt wurde, ist die Fallhöhe der Protagonisten nicht minder hoch. Mit dem Tod der unschuldigen Eurydice stirbt auch die Sinnlichkeit des Karnevals, er erscheint nur noch als entfesselt - dinoysische Orgie, Gewalt ist latent stets präsent; an den Orten an denen Orfeu nach seiner Geliebten sucht, ist die Lebensfreudeschon vom Alltag, von kafkaesker Bürokratie der Metropole abgelöst worden. Durch ein afro-brasilianisches Candomblé - Ritual tritt er in Kontakt mit seiner Eurydice und verliert sie wieder an die Dunkelheit. Als der Tag erwacht, kehrt er zurück in die Favela und wird von der furiengleichen, eifersüchtigen Mira - seiner offiziellen Verlobten - getötet. Aber ein neuer Orfeu wird ihm folgen. 
Der Film ORFEU NEGRO ist eine Verbindung von Eros und Tod, ein poetischer Totentanz,  von vollkommener Schönheit wie ein Bossa Nova. Dokumentarische Aufnahmen im Cinemascopeformat, durch den Klang der Sambatrommeln mit den Spielszenen in einen perfekten Rhythmus gebracht, die Farbgestaltung, wie auch das erfrischende Spiel der Laiendarsteller entführen den Zuschauer in eine exotische Welt. Das "Reclam Filmlexikon" schrieb, ORFEU NEGRO feiere die Schönheit der Körper "erotisch und erotisierend." Die Kamera ist immer mitten im Geschehen, begleitet die tanzenden Liebenden bis in die Tragödie hinein, ist aber niemals voyeuristisch. 1959 gewann ORFEU NEGRO die "Goldene Palme" von Cannes und 1960 auch den OSCAR für den besten fremdsprachigen Film. Gleichzeitig wurde mit dem Film der "Bossa Nova" nach Europa exportiert. Antonio Carlos Jobim sang den Soundtrack, darunter das wunderschöne "Manh de Carnaval". Das Drehbuch stammt aus der Feder von Vinicius de Moraes, der 1962 das Lied "La garotta de Ipanema" dichtete; hier vor allem durch die Interpretation Frank Sinatras als "The girl from Ipanema" bekannt geworden. Einzig der französische Regisseur Marcel Camus konnte seinen Erfolg später nicht mehr wiederholen...

ORFEU NEGRO ist in der Edition "50 Filmklassiker" des "Focus" und bei "Alamode" erschienen. 

Bild: Atlas Film

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