¡Hola a todas y todos!

En el proceso de mejora de nuestro sitio web, tomamos una decisión importante para que kinolatino.de se volviera más estructurado, más rápido y menos complicado: a partir de ahora las noticias sobre el cine latinoamericano se escribirán exclusivamente en alemán.

Obviamente, eso no quiere decir que la comunicación en español se termine ahí. Seguimos con la mirada internacional. Por favor: escriban, pregunten, y ponganse en contacto con nosotros, también en castellano, o, ya que estamos, en portugués e inglés.

Saludos cordiales de la redacción.

 

 

Kinolatino.de tiene ahora también cuenta de Facebook ("kinolatino.de") y de Twitter ("@kinolatinoDe")

 


Der Gewinnerfilm der "Berlinale" - TROPA DE ELITE

TROPA DE ELITE von José Padilha gewann den "Goldenen Bären" der diesjährigen "Berlinale". Handelt es sich um einen verdienten Sieger? Das Gros der Filmkritiker tendiert zu der Antwort "Nein". Egal, welche Meinung man selbst vertritt, man muss der Jury zugestehen, dass die Wahl dieses Films ein geschickter Schachzug war.  

 

Der Spielfilmwettbewerb der "Berlinale" schien eine langweilige Angelegenheit zu werden. Es gab kaum jemanden, der NICHT auf THERE WILL BE BLOOD (Regie: Paul Thomas Anderson) als Gewinner des "Goldenen Bären" getippt hätte. Am Anfang der Filmfestspiele waren es nur die Jurymitglieder selbst, die kurzzeitig  für Aufsehen gesorgt hatten. Zwei der acht Mitglieder, Sandrine Bonnaire und Susanne Bier, hatten ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt und damit die Festivalsleitung desavouiert. Am Ende der im großen und ganzen gelungenen Veranstaltung, die sämtliche Zuschauerrekorde brach und deren zahlreiche Stargäste für Glamour bei frühlingshaften Temperaturen sorgten, gab es dann doch die unerwartete Überraschung.  Die Jury hatte wider Erwarten einen Außenseiter, TROPA DE ELITE von José Padilha, zum Gewinnerfilm des Festivals gekürt. Das Urteil polarisierte sehr stark, einige der Kritiker waren geschockt, dieses Urteil sei ein "Ärgernis" (so der FILM-DIENST). Aber mit diesem Votum hat die Jury - wieder einmal  - ihre Unabhängigkeit gegenüber  allen  "Vor-Urteilen" bewiesen, eine mutige Entscheidung gefällt und dabei gleichzeitig die Tradition der "Berlinale" fortgeführt, ein politisches oder zumindest ein politischeres Festival als die anderen "A-Filmfestivals" zu sein (die Wahl des Jury-Präsidenten Constantin Costa-Gavras war nicht zufällig). Ein Trend ist beider 58. Ausgabe der "Berlinale" ebenfalls fortgeführt worden: Das lateinamerikanische Kino ist auf den Filmfestivals der Welt derzeit äußerst erfolgreich.

Im Gegensatz zu meisten anderen Produktionen aus Mexiko, Brasilien, Chile oder Argentinien, die bei Festivals reihenweise Preise einheimsen, dann aber keine internationalen Filmverleiher finden, ist der Erfolg von TROPA DE ELITE nahezu schon vorprogrammiert. Es handelt sich um einen aufwendig und gut produzierten, mitreißenden Spiel, der bereits vor dem offiziellen Filmstart für einigen Diskussionsstoff gesorgt hatte. Brasilianische Politiker, wie auch Polizei und andere Interessengruppen wollten den Thriller noch vor dem Kinostart verbieten lassen. TROPA DE ELITE hatte aber schon eine Eigendynamik entwickelt. 12 Millionen Brasilianer hatten ihn auf illegal gebrannten DVDs gesehen, der Filmstart konnte sich nicht mehr verhindern lassen. Auch im Kino wurde er ein Kassenhit: weitere  3 Millionen Brasilianer sahen ihn noch einmal auf der Leinwand.

Was entfachte die Kontroverse? Regisseur José Padilha sieht TROPA DE ELITE als politischen Film, der gesellschaftliche Wandlungen bewirken ("Wir werden Brasilien verändern" kündigte er bei der Preisverleihung an) und gesellschaftliche Missstände aufdecken will. Und die gibt es augenscheinlich zu Genüge: bei TROPA DE ELITE handelt es sich nahezu schon um einen Kriegsfilm. Die Protagonisten sind Drogenbosse, Kleinkriminelle und die Polizei. In atemberaubenden Tempo, schnellen Schnitten, mit Handkamera und in brutalen, mit harten Baile-Funk-Musik unterlegten Bildern erzeugt der Film eine fiebrige Atmosphäre, die dem Zuschauer kaum Verschnaufpause lässt und erzählt  die erschreckende "history of violence" der BOPE: dem "Batalhão de Operações Policiais Especiais", einer  Eliteeinheit der Polizei. Im Mittelpunkt des Films steht Capitao Nascimento. Von Nascimento wissen wir, dass er den Dienst quittieren will, als angehender Vater hat den lebensbedrohlichen Job satt, immer häufiger überfallen ihn während seines täglichen Einsatzes gegen die Drogenbosse in den Slums von Rio Panikattacken. Damit sein Kommando ihn gehen lässt, sucht er sich einen Nachfolger. Nach einem harten Auswahltraining bleiben nur noch zwei Rekruten übrig - der draufgängerische Matías und  Neto, der immer mehr sein Studium an einer Privatuniversität gegen seinen nebenher geführten Polizeijob eintauscht. Neto sieht in der Praxis der BOPE die einzige Möglichkeit, das kranke System, das ihn umgibt, wirksam zu bekämpfen. Ein letzter Einsatz steht Nascimento bevor: die Handlung spielt im Jahr 1997. Vor dem bevorstehenden Besuch Papst Johannes Paul II. gilt es, eine Favela "zu säubern" von der aus die Herberge des Kirchenoberhaupts beschossen werden könnte. Die Handlung folgt  dem "Routineeinsatz" , und schnell wird klar, dass nicht nur diese, sondern jede Aktion der BOPE eine Art Krieg ist, in dem es keine Menschenrechtskonventionen und erst recht keine Gnade gibt. Der Einsatz ist auch die Bewährungsprobe für Neto und Matías.

Die Favela-Fiction TROPA DE ELITE ist eine konsequente Weiterentwicklung der Erfolgsfilme CITY OF GOD und CARANADIRÚ, nur aus einer anderen Perspektive erzählt. In CITY OF GOD (und in der Nachfolge Fernsehserie CITY OF MEN) sind die Favelabewohner, die Dealer, die in mafiös-geprägten Strukturen operierenden Gangster die Protagonisten. TROPA DE ELITE wird aus der Perspektive der Polizeitruppen erzählt. Man kann aber nicht grade behaupten,dass der Film daher  die "Guten" zeigt. Niemand ist "gut" in dem von José Padilha porträtierten Teils von Rio (der Film spielt ausgerechnet in der Favela Babilonia, die in Marcel Camus ORFEU NEGRO noch als utopisches Idyll dargestellt wurde): nicht die korrupten, herkömmlichen Polizisten, ebenso wenig die brasilianischen Oberschicht - Kids, denn gerade die "jeunesse dorée" gehört zu den Hauptabnehmern der lokalen Drogenbosse; während sie damit indirekt das Waffenarsenal  der Drogenbosse finanziert und die gewalttätigen Auseinandersetzungen eskalieren lässt, demonstriert sie tagsüber gegen die überzogene Polizeigewalt und beruhigt das Gewissen durch Arbeit in Nicht-Regierungsorganisationen.  Die Favela- Bewohner sind zwar noch am ärmsten dran und leiden, aber auch sie haben ihren Anteil an der Misere. Überall herrschen Gewalt, Korruption und Heuchelei vor, die Mitglieder der BOPE sind zwar kaltblütig und brutal, sie scheuen auch nicht vor überzogener Gewalt gegen Kleinkriminelle, nicht einmal vor Folter zurück (und rufen uns damit Bilder von Abu Ghraib und aus dem Irak hervor), sie sind aber zumindest integer, so vermittelt uns der Film. Deshalb und wegen seiner schonungslosen Gewaltdarstellung kam schnell der Vorwurf auf, der TROPA DE ELITE sei "faschistoid". Aber Faschismus ist was anderes, Padilha fordert Recht und Sicherheit, ein Ende der Korruption, keine repressive Politik (im Gegenteil, wenn man sich sein Erstlingswerk OMNIBUS 174 anschaut), oder gar eine Art Nascimento als Führer. Padilhas Darstellung zeigt kein schwarz, kein weiß, sondern nur Düsternis, sie heißt nicht die Folter gut, er zeigt die Verhältnisse nur so wie sie sind. Favela-Reality statt Favela-Fiction? Fiktion und Realität sind in Städten wie Rio de Janeiro vielleicht schwer zu trennen. Laut der Aussage des Regisseurs, der zu Recherchezwecken im Vorfeld Interviews mit  Polizisten und BOPE-Mitgliedern führte, sind sie die Verhältnisse in einigen Teilen Rios noch härter und brutaler als dargestellt. Es geht dem Regisseur nicht um Gewaltverherrlichung, sondern um den Beginn einer Debatte. Mit Erfolg? Am Tag des Kinostarts, dem 12. Oktober 2007 vermeldeten die Fernsehnachrichten die Verhaftung von 58 Polizisten im Norden von Rio de Janeiro wegen Korruption, Bandenbildung und Verwicklung in den Drogenhandel.

 

Die "Helden" der Elitetruppe sind gebrochen, aber wer sind die  "Helden" eigentlich? Gibt es sie überhaupt? BOPE "-Kommandant Nascimento ist ein gebrochener Charakter, aber dadurch dass er uns per Off-Kommentar durch den Film leitet, das Geschehen deutet und einordnet,  wird er automatisch zu einer Art Identifikationsfigur. Er kämpft gegen Korruption, versucht den Teufelskreis aus Bestechung, Gewalt und Mord zu durchbrechen, trotzdem ist er - zumindest anfangs -  kein Sympathieträger.  Denn der Preis ist hoch, den er für sein Engagement zahlt. Indem der Film, speziell durch die "unmittelbarkeit" der Handkamera, seinen Protagonisten folgt, zeigt er, wie die alltäglichen Einsätze sie deformiert, sie immer weiter abstumpft. Automatisch denkt man an Stanley Kubricks Vietnam- Film FULL METAL JACKET, zu allererst an die harten Kasernendrillszenen, in denen gezeigt wird, wie junge Männer aus der Zivilisation verabschiedet werden und zu Kampfmaschinen gedrillt werden. Jeder Skrupel gegen den Einsatz von Gewalt wird im Überlebenskampf abtrainiert, Ideale ersterben im Teufelskreis von Korruption und Verbrechen, Freundschaft ist nur eine Gefahr für das Leben, man muss emotionslose, testosterongetriebene Tötungsmaschine sein, alles Menschliche - wie Nascimento anfangs und später auch Neto - hinter sich lassen, um in der eskalierenden Gewalt zu überleben. In Brasilien ist nach dem Filmstart Nascimento eine Art Held geworden, jemand, der für Recht und Ordnung kämpft, wenn er sich dabei die Hände schmutzig macht, verzeiht man ihm dies. Ein Happy End wird allerdings nicht propagiert. Es ist auch nicht in Sicht, ein Ausweg aus der sozialen Misere und Korruption, die Brasilien lähmen, ist, so zeigt es uns der Film, ist unter den jetzigen Bedingungen nur schwer möglich, wenn, dann gibt nur persönliche Erlösung, einen Weg den Nascimento sucht...


TROPA DE ELITE ist definitiv kein Film, der mit subtilen Mitteln arbeitet, es ist aber ein spannender, mitreißender Thriller mit überraschenden erzählerischen Wendungen und einer ungewöhnlichen Erzählstruktur. Ob man den provokanten Film mögen will, muss jeder für sich selbst entscheiden. Dem Film den Hauptpreis in Berlin zu verleihen war aber definitiv keine falsche Entscheidung. Es hat sich gezeigt, dass die Filmfestspiele in der deutschen Hauptstadt  sich von Hollywood abgrenzen wollen, und so an Bedeutung gewinnen wollen. Es ist ein langer Prozess, man ist aber auf dem besten Weg dorthin...


[Zurück]

  gefördert von:
klfslogo_sw_mit_schrift