Im Jahr 2002 steht Argentinien am Rande des Abgrunds. Der Staat ist bankrott gegangen, der "Corralito" hat die Ersparnisse großer Teile der Bevölkerung aufgefressen, viele müssen ein Leben an der Armutsgrenze führen, die Kriminalität steigt. Die Oberschicht ist von der Krise nicht so stark betroffen, viele konnten ihr Geld in Sicherheit bringen. Es ist daher wenig verwunderlich, dass es Menschen gibt, die ihnen ihr Geld neiden. Kidnapping und Ermordung des Industriellensohnes Axel Blumberg vermutlich nach einer gescheiterten Lösegeldübergabe sind zum Symbol der Misere geworden. In dieser Situation ist CORDERO DE DIOS von Lucía Cedrón angesiedelt. Guillermas Großvater wird Opfer einer solchen Entführung. Ist er aber wirklich ein Opfer? Oder ist die Ermordung, die ihm droht ein "Auge um Auge, Zahn um Zahn"?
Guillerma bittet ihre Mutter Teresa aus ihrem Exil in Paris zurückzukehren, um zu helfen, das Geld aufzubringen. Sie kommt äußerst widerwillig. Als sie auf dem Flughafen mit dem typisch argentinischen Getränk Mate empfangen wird, lehnt sie es ab: Mate würde ihr Sodbrennen verursachen. Es ist aber das Land selbst, das ihr Schmerzen und Unbehagen bereitet. Sie musste im Jahr 1978 aus dem Land fliehen, nachdem sie kurzzeitig in ein centro clandestino gesperrt war und ihr Mann während einer Razzia einer paramilitärischen Polizeigruppe erschossen wurde. CORDERO DE DIOS, der mehrfach ausgezeichnete Film von Lucía Cedrón ist ein argentinisches Generationenporträt. Die Bindung zur jeweiligen Elterngeneration wird als nur sehr schwach dargestellt.
Teresa verdächtigt ihren Vater, Kollaborateur des Regimes zu sein, ihren geliebten Mann an die Militärs verraten zu haben. Guillermina ist ihre Mutter mit ihrem Hass auf Argentinien fremd. Doch sie weiß nichts von dem Trauma ihrer Mutter. Teresa hat vor ihrer Tochter um die Familienangelegenheit eine Mauer des Schweigens aufgebaut. Die Spannungen zwischen Mutter und Tochter werden immer größer, verhindern zunächst die Lösegeldzahlung und eskalieren dann, bis es zur klärenden Aussprache kommt.
Lucía Cedrón, deren Vater mutmaßliches Opfer der Militärdiktatur ist, hat einen notwendigen Film über die Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur gemacht, einen Thriller um Schuld und Sühne der Hoffnung machen soll und die Chancen zur Versöhnung zwischen den Generationen aufzeigt.
CORDERO DE DIOS gewann unter anderem den Publikumspreis auf dem Internationalen Filmfestival von Toulouse. Die Bilder mit denen Cedrón operiert sind stark, virtuos wechselt sie zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her und symbolisiert so die Vergangenheit, die nicht vergeht. Die schauspielerischen Leistungen sind aber nicht durchgängig ansprechend, die Dialoge wirken mitunter sehr aufgesetzt und hölzern.
Dennoch ist CORDERO DE DIOS ein sehenswerter Film. Unter dem Titel DAS OPFERLAMM ist er in der Reihe "Meisterwerke des lateinamerikanischen Films" bei ICESTORM REVOLUTION veröffentlicht worden.
Weitere Informationen gibt es unter: www.icestorm-revolution.de
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