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Carandiru

In den vergangenen Tagen starben bei verschiedenen Gefängnisrevolten in Brasilien etwa 100 Menschen. Erinnert sei an einen Klassiker des brasilianischen Kinos, der vor 13 Jahren in die Kinos kam und zeigt, dass die jüngsten Massaker vorhersehbar und doch nicht zu verhindern waren.

Brasilien ist eines der Länder mit der höchsten Zahl an Gefängnisinsassen. Die Zustände in den Gefängnissen sind oftmals überaus prekär, die Zellen sind überbelegt. Dies führt zwar regelmässig zum Protest von Menschenrechtsorganisationen, hat aber letztlich keine Konsequenzen. Die Verhältnisse führen nicht nur zu grassierender Gewalt, sondern im Grunde zum totalen Versagen des brasilianischen Gefängniswesens. Die Rückfallquote liegt laut Schätzungen bei 60 Prozent. In der Regel verlassen die Insassen das Gefängnis zudem krimineller und gewalttätiger, als sie es betreten haben. Dies hat damit zu tun, dass Kleinkriminelle in Brasilien nicht von Schwerverbrechern unterschieden werden. Wer auf frischer Tat ertappt wird, kommt bis zu seiner Verurteilung direkt ins Gefängnis, wo er in Kontakt mit dem organisierten Verbrechen kommt. Zudem tragen rivalisierende Gangs ihre Kämpfe um Vorherrschaft auf ihren Territorien und im Drogenhandel aus. Regelmäßig kommt es zu Massakern, wie im Januar 2017.

Viele Politiker sehen jedoch keinen Anlass zum Handeln. Schreibt doch die Boulevardpresse, dass es besser für das Land sei, dass sich die Verbrecher gegenseitig umbringen. Viele Bürger übernehmen diese Meinung.

Vor 24 Jahren kam es im Gefängnis Carandiru in São Paulo bereits zu einem schweren Massaker, bei dem über 100 Menschen starben. 

An dieser Stelle sei an den Film "Carandiru" erinnert, der vor etwa 13 Jahren ein riesiger Publikumserfolg in Brasilien war und über diese Ereignisse berichtete. Er hätte sein Publikum eigentlich 'aufrütteln' müssen. Leider war das nicht der Fall. Es wurden keine Konsequenzen aus den Ereignissen im Jahr 1992 gezogen. Im Gegenteil: Während Experten auf eine Reform des Strafgesetzes und des Strafvollzugs drängten und immer noch drängen, gibt es heute eine wachsende Zahl von Brasilianern, die eine Senkung der Strafmündigkeit auf 16 Jahre fordern. Eine Folge wäre ein weiteres Ansteigen der Gewalt. Die brasilianische Gesellschaft hat also nichts aus den Ereignissen gelernt.

Was war passiert?

Das Carandiru-Gefängnis im brasilianischen São Paulo war einmal mit bis zu 8.000 Häftlingen das größte Gefängnis Südamerikas, bis es zu einem Blutbad kam. 

"Es roch nach Tod, nach Blut, obwohl bereits geputzt worden war," berichtete der forensische Psychiater Mariano Castex, der als Berichterstatter für Amnesty International das Carandiru-Gefängnis  besucht hat. Drei Tage zuvor, am 2. Oktober 1992, waren 102 Insassen der stark überbelegten brasilianischen Haftanstalt von Polizisten erschossen worden. Neun weitere starben an Stichwunden. Die Militärpolizei des Bundesstaats São Paulo hatte die Kontrolle über Carandiru übernommen, nachdem dort nach einem Streit zwischen Gefangenen eine Revolte ausgebrochen war.

Der von dem Argentinier Castex mitverfasste Untersuchungsbericht von Amnesty International stellte fest, dass schwer bewaffnete Spezialeinheiten die Häftlinge regelrecht hingerichtet hatten. Dagegen starb kein einziger Militärpolizist bei der Niederwerfung des Aufstands, der als Massaker von Carandiru bekannt und berüchtigt geworden ist. Fotos der 111 aufgetürmten Leichen im Gefängnishof schockierten die brasilianische und internationale Öffentlichkeit. Repression war in den völlig überfüllten Haftanstalten des südamerikanischen Landes an der Tagesordnung, aber niemals waren die Sicherheitskräfte so brutal vorgegangen wie im Oktober 1992 in Carandiru. Die Bilder bleiben in Erinnerung, bewirkt haben sie aber nichts.

Keiner der Todesschützen von Carandiru wurde bestraft. Die Angehörigen der Opfer und Menschenrechtsgruppen fordern auch heute immer noch vergeblich Gerechtigkeit. Zwar klagte die Militärjustiz nach dem Massaker mehr als 100 Angehörige der Militärpolizei wegen Mordes und schwerer Körperverletzung an. Aber verurteilt wurde nur der Chef des Einsatzkommandos, Oberst Ubiratan Guimaraes. 2001 erhielt er eine Haftstrafe von 632 Jahren. Doch die Strafe trat er nie an. Und fünf Jahre später wurde er, inzwischen Parlamentsabgeordneter, in zweiter Instanz freigesprochen, allerdings im selben Jahr vermutlich von seiner Geliebten umgebracht.

Der Freispruch war ein fatales Signal: Dass die Ermordung von mehr als 100 Insassen des Carandiru-Gefängnisses ungesühnt blieb, erklärt der brasilianische Jurist und Menschenrechtler Hélio Bicudo so: "Das ist ein Problem der Mängel des brasilianischen Justizsystems. Die Militärjustiz stellt die Straffreiheit der Militärpolizisten sicher, und in dieser Straffreiheit liegt die Polizeigewalt begründet."

Diese Form der Korruption ist immer noch eines der größten Probleme in Brasilien.

Carandiru, einst ein Vorzeigegefängnis, das sogar der emigrierte österreichische Schriftsteller Stefan Zweig besuchte und lobte, wurde 2002 gesprengt. An seiner Stelle befindet sich heute ein Park, in dem Jugendliche Sport treiben, an Kursen und Kulturveranstaltungen teilnehmen können. Vielleicht hätte man aus dem Gefängnis besser ein Museum, einen Erinnerungsort gemacht...

 

2003 drehte der gebürtig aus Argentinien stammende Regisseur Héctor Babenco einen Film über die Ereignisse, der äußerst erfolgreich war und sogar die Zuschauerrekorde von "City of God" brach.

"Carandiru" ist beides, ein sensibler und ein brachialer Film, der wie ein Mosaik aufgebaut ist. Im Mittelpunkt stehen die Häftlinge, die, dokumentarisch anmutend,  einem Arzt von ihren Ängsten, Wünschen und Hoffnungen und die alltägliche Gewalt erzählen. Sie fürchten etwa, durch Mithäftlinge umgebracht zu werden oder sich mit dem Aids-Virus zu infizieren, der in dem Gefängnis grassiert. Den Arzt gab es wirklich. Er hieß Drauzio Varella. Er schrieb die Bestseller-Vorlage, nachdem ab Ende der achtziger Jahre als Freiwilliger in der Aids-Vorsorge des Carandiru gearbeitet hatte.

Zuvor wurde den Häftlingen weder medizinische noch soziale Hilfe zuteil - bis sich Varella bereiterklärte, regelmäßige Besuche und "Sprechstunden" abzuhalten. Den neuesten Stand medizinischer Erkenntnisse gewohnt, ist er hier gezwungen, seine Patienten mit einfachsten Mitteln zu behandeln - und wird mit der Zeit mehr als ein Arzt: Er wird zum Vertrauten der Gefangenen. Darauf konzentriert sich der erste Teil der Handlung. Dann kommt es zur Katastrophe mit dem bekannten Ergebnis. Warum ist nicht der Arzt der Hauptprotagonist? "Brasilien besteht zu 80 Prozent aus Außenseitern, und ich habe ein sehr starkes Mitgefühl für sie," sagte Babeco einmal im Interview. Carandiru ist für ihn ein Mikrokosmos, in dem auch sämtliche Probleme des Landes präsent sind.

Dabei hatte er einen guten Grund, auch dem Arzt ein Denkmal zu setzen. Varela behandelte in den 1990er Jahren auch ihn und  und verlängerte Héctor Babanco das Leben. Erst 2016 verstarb der Regisseur, einer der bekanntesten Filmemacher des brasilianischen, sogar lateinamerikanischen Kinos an den Spätfolgen seiner Krebserkrankung.

 

Im Archiv von kinolatino.de finden sich noch weitere Informationen zum Regisseur Héctor Babenco und seinem wohl berühmtesten Film, O BEIJO DA MULHER ARANHA, dem KUSS DER SPINNENFRAU


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