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Que viva México

Sergej M. Eisensteins QUE VIVA MÉXICO ist eine eigentümliche Mischung aus Geschichtsepos, ethnologischem Dokumentarfilm und Revolutionsballade. Es ist nicht der beste Film des Regisseurs - aber sein legendärster und -für ihn persönlich- der traumatischste.

Der aus dem lettischen Riga stammende Sergej Eisenstein (1898-1948) gilt bis heute als einer der einflussreichsten, innovativsten und wichtigsten Regisseure der Filmgeschichte:  mit seinen theoretischen Schriften und seinen filmischen Meisterwerken wie PANZERKREUZER POTEMKIN (1925) oder OKTOBER (1927) bewies er, dass die Filmmontage mehr ist als das bloße aneinander reihen von Einzelbildern. Er ist Begründer der "Montagetechnik der Attraktionen" einer auf rhythmischen Prinzipien, auf Kontrast und Tempowechsel zielenden Montageform. Ihm geht es grob gesagt darum, mit der unterschwelligen Ausdruckskraft seiner Bildmontage im Zuschauer eine politische Erkenntnis hervorzurufen. Bedingt durch den großen Erfolg von PANZERKREUZER POTEMKIN steigt Eisenstein zum führenden Regisseur der Sowjetunion auf, bei dem diverse staatlich geförderte Monumentalfilme in Auftrag gegeben werden. Aber auch international stößt sein Schaffen auf großes Interesse. Er hält Vorträge in ganz Europa und findet in George Grosz,  Bertolt Brecht, James Joyce oder Fritz Lang große Anhänger. 1930 schließt Eisenstein einen Regievertrag in Hollywood einen Regievertrag mit den Paramount Studios ab, er knüpft Kontakte zu namenhaften Regisseuren, Schriftstellern und Schauspielern. Charlie Chaplin und Walt Disney zählen zu seinen engen Freunden. Der überzeugte Kommunist, der letztendlich durch Propagandafilme (für die russische Revolution) populär geworden ist, ruft aber ebenso viele namenhafte Skeptiker hervor. Deren antikommunistische Kampagne beendet sein kurzes "Hollywood-Abenteuer." Mit finanzieller Unterstützung Upton Sinclairs, einem Millionär und sozialkritischen Schriftsteller - der auch die Vorlage zu dem diesjährigen OSCAR-Gewinner THERE WILL BE BLOOD schuf - reisen Eisenstein und sein langjähriger Kameramann Edouard Tissé 1932 nach Mexiko, um ein "Mural", ein farbenfrohes Geschichtsepos über die mexikanische Revolution zu schaffen. Die Filmemacher sehen es als ihre Pflicht an, den Gegenstand ihres Filmes, das Land und seine Menschen, genau zu studieren, und sie erkunden mit Unterstützung der Maler Diego Riveras und David Alfaros Siqueiros Mexiko in einer mehrmonatigen Reise. Die Dreharbeiten laufen zu der Zufriedenheit des Regisseurs, bis Upton Sinclair seine finanzielle Unterstützung abruppt einstellt. Das Filmmaterial bleibt in den USA, Eisenstein wird von Stalin persönlich in die Sowjetunion zurückberufen. Eine ohne die Authorisierung Eisensteins geschaffene, von Cuttern der MGM geschnittene Version von dem Film mit dem Titel QUE VIVA MÉXICO wird 1933 in New York uraufgeführt. Eisensteins Stellungnahme, in der er die Vorführung ablehnt, gelangt nicht an die amerikanische Öffentlichkeit. Bis zu seinem Tod im Jahr 1948 hat Eisenstein kein Zugang zu dem Filmmaterial des Filmprojektes, das ihm, wie persönliche Notizen zeigen, sehr am Herzen lag. Der Rechtestreit um QUE VIVA MÉXICO dauert ein halbes Jahrhundert, erst vor gut 30 Jahren entstand eine von Schülern und Assistenten Eisensteins erarbeitete Fassung, die auf Notizen des Regisseurs beruhen. Trotz allem bleibt QUE VIVA MÈXICO Fragment, eine letzte Episode des Films über Kämpferinnen unter Zapata und Pancho Villa, kann nicht mehr zu Ende gedreht werden.

 

Das vorhandene Filmmaterial ist schwer einzuordnen. Hätte Eisenstein sich an seine Montageideen gehalten, auf denen die vorliegende Fassung beruht? Man kann nur spekulieren...

In einem Prolog, vier Episoden und einem Epilog fängt Eisenstein den Geist Mexikos ein und zeigt wie die treibenden Kräfte -  ursprüngliches Leben in Einklang mit der Natur, Leben und Tod, Schönheit und Korruption, Freiheit und Unterdrückung, heidnische Kultur und Christentum  - die Geschicke des Landes prägten.  Die Episoden sind ohne Schauspieler gedreht, ohne Dekoration, dennoch handelt es sich nicht um einen nach Genrekriterien "neorealistischen" Film. Der historische Bogen des filmischen Tableaus spannt sich vom präkolumbianischen bis zum modernen Mexiko. Der Prolog und die erste Episode fangen Eisensteins Faszination für die noch vorhandenen Überreste der Mayakultur in dem von ihm bereisten Mexiko in kraftvollen Bildern ein. Sie sind eine ethnographische Studie, zeigen Feste tanzender Indios, Beerdigungszeremonien und andere Bräuche, die heute, mehr als 75 Jahre nach der Entstehung des Films teilweise unwiederbringlich verschwunden sind. Der von den Konquistadoren ins Land gebrachte Katholizismus - sichtbar in den teilweise gefilmten, teilweise nachgestellten Karfreitagsprozessionen, Mysterienspielen und den Feiern zu Ehren der Jungfrau von Guadalupe - hat die alten Riten nicht verdrängen können, sie nur überlagert, ihnen nur eine kulturelle Schicht hinzugefügt.

 

Aus der Synthese aus Ethnologie und Kunstfilm entwickelt sich im Film in den folgenden Kapiteln immer mehr eine Spielfilmhandlung - der stärkste Teil des Filmes. Die meisterhaften Bildkompositionen Tissés nehmen Motive der mexikanischen Muralisten (Riveras, José Clemente Orozcos) auf und vermischen sie mit christlicher Ikonographie. Peones wehren sich gegen die überkommene Willkürsherrschaft ihrer Lehnsherren: sie lehnen sich auf töten einige ihrer Peiniger, werden gefasst, der Aufstand wird niedergeschlagen. Die Episode um die "ersten Revolutionäre" endet mit einer Pietà-Szene. Die hingerichteten Peones werden zu Märtyrern stilisiert...Im Anschluss fehlt die von Eisenstein konzepierte Episode, die das Revolutionäre Mexiko um 1910 zeigt und dabei das einfache Volk und die Soldatenfrauen in den Vordergrund stellen sollte.

Im Epilog von QUE VIVA MÈXICO filmt Eisenstein den Día de los muertos. An diesem Tag würdigen alle Einwohner ihre verstorbenen Angehörigen. Jedoch ist die Feier für europäische Verhältnisse eher ungewöhnlich, da es keine Trauerfeier ist, sondern mit karnevalistischen Mitteln gefeiert wird. Mittels des Karnevalismus, durch Verhöhnung des Todes wird dieser überwunden. Personen mit Totenmasken, Personen mit freudigen Gesichtern tanzen durch die Straßen. Diese Bilder erinnern an die Graphiken des mexikanischen Künstlers José Guadalupe Posada.

Leben und Tod - dies ist das Leitmotiv des ganzen Films: der Tod wird in den Beerdigungsritualen thematisiert, bei der Darstellung des traditionellen Stierkampfes, bei den Mysterienspielen, bei der Darstellung der religiösen Karfreitagsprozession und beim Opfertod der Peones. 

Das Leben symbolisiert das nachrevolutionäre Mexiko, das einfache Volk - zum Tode verurteilt sind die alte Beourgeoisie, der Klerus: auch nach der Demaskierung am Ende der Feiern zum Día de los muertos sind hinter den Totenmasken nur Skelette zu sehen.

 

QUE VIVA MÈXICO: in kraftvollen Bildern wird die tausendjährige mexikanische Geschichte in einem facettenreichen Bilderbogen präsentiert. In jeder Szene wird deutlich, wie beeindruckt Eisenstein von dem Gemisch aus indianischer und katholischer Kultur ist, auf welche Weise Stadt und nahezu unberührte, ursprüngliche Natur; mystisch-exstatische und barocke Rituale im modernen Mexiko im Jahre 1932 noch koexistieren, welche Gegensätze noch im Land herrschen. Dies alles ist begleitet von einer Aufbruchstimmung nach dem Sieg der mexikanischen Revolution.

 

Es ist eine der künstlerischen Tragödien der Filmgeschichte , dass Sergej M. Eisenstein sein  QUE VIVA MÉXICO nicht vollenden konnte. Dennoch gilt das Filmfragment - besonders von der Ikonographie - immer noch als eines der einflussreichsten Dokumente der mexikanischen Cinematographie.

 

VG WORTBild: quevivamexico.com 


 


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