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Interview mit Patricio Guzmán
Franziska Traub, Maria Müller und Nemezjusz Kasztelan, Studenten der Medienwissenschaft am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft der Universität zu Köln führten am 16.12.2010 ein Interview mit dem chilenischen Regisseur Patricio Guzmán anlässlich der Premiere seines neuen Films LA NOSTALGIA DE LA LUZ. 
 

Kasztelan: Warum geht man in die Wüste, um einen Dokumentarfilm zu drehen? Ausgerechnet ins sinnbildliche „Nichts“?

 

Guzmán: Das ist eine interessante Frage. Die Wüste (Anm.: gemeint ist die chilenische Atacama-Wüste) ist ein Gebiet der Vergangenheit, weil es überhaupt keine Feuchtigkeit gibt und sehr viel Salzgehalt. Das bedeutet, dass einfach alles erhalten bleibt: menschliche Überreste, Objekte, Mumien. So häufen sich tausende von Jahren von Geschichte an und deswegen ist es ein Gebiet, welches sehr reich ist, im archäologischen und geologischen Sinne.

Ich habe gedacht, das kann eigentlich nur ein guter Film werden und zwar aus vielerlei Gründen: In der Erde haben wir einmal das Tor zur Vergangenheit und es gibt darüber hinaus das kosmische Tor zur Vergangenheit, da es in der Atacama-Wüste 40 Teleskope in sechs Observatorien gibt, die riesig sind. Ich war fasziniert von der Beobachtung der am weitest zurückliegenden Vergangenheit und der Vergangenheit auf der Erde.

 

Kasztelan: Dient die Wüste, ein Ort, der weit weg vom Machtzentrum der Ereignisse der damaligen Diktatur liegt, als neutraler Platz zur Vergangenheitsbewältigung? Ein auf den ersten Blick recht emotionsloser Ort?

 

Guzmán: Das, was Sie da sagen. ist ebenfalls ein wichtiger Gesichtspunkt, weil die Wüste auch ein Zentrum für die ökonomische Macht war aufgrund der Mineralien im Boden. Im 19. Jahrhundert waren es das Salpeter und Kupfer (Anm.: die weltweit gefragten und deshalb wertvollen Bodenschätze). Kupfer ist es bis heute immer noch! Es gibt auch Lithium und andere seltene Metalle, auch Gold und Silber.

Die Bodenschätze waren in der Vergangenheit auch Grund für einen Krieg zwischen Bolivien, Peru und Chile (Anm.: gemeint ist der sogenannte Salpeterkrieg 1879-1883), wobei der Anlass für diesen Krieg von den Engländern ausging, welche sich das Salpetervorkommen sichern wollten. Zu der Zeit haben sie sich mit dem chilenischen Staat verbündet, weil es zum Zeitpunkt der solideste Staatsapparat war, und sie haben das Gebiet den Bolivianern und Peruanern weggenommen.

 

Kasztelan: Ihr Film sticht durch seinen Reichtum an Metaphern hervor. Eignen sich Sinnbilder etwa besser als Fakten, um Geschichte und seine komplexen Zusammenhänge zu verstehen?

 

Guzmán: Es ist genau umgekehrt! Es ist die Wüste, die die Metaphern schon hat, die sind schon da, sie sind genau in der Wüste vorhanden. Sie sind wie parallele Linien: die Geschichte des Salpeters, die Geschichte der Archäologie, die Frauen, die die Verschwundenen aus der Zeit Pinochets suchen. Ich habe eigentlich nur diese Linien gekreuzt – und so sind die Metaphern hervorgetreten. 
 

Kasztelan: Bei La batalla de Chile hatten wir das Gefühl, dass Sie genau den umgekehrten Weg gegangen sind: Wir sehen dort im letzten Teil die Reaktionen chilenischer Studenten aus Aufnahmen der damaligen Zeit. Wie kam es zu dem neuen Ansatz? Liegt es daran, dass wir heute in einer anderen Zeit leben, weil es Menschen gibt, die mit der Diktatur Chiles nicht mehr direkt aufgewachsen sind?

 

Guzmán: Ich glaube, dass jedes Thema eine eigene Form erfordert. In La batalla de Chile wares logischdirect cinema anzuwenden, weil es die beste Möglichkeit war, die Wirklichkeit zu filmen – und heute ist es auch noch so. Aber es gibt eben Themen, wie beispielsweise das Thema der Erinnerung, die einfach andere Herangehensweisen erfordern. Das heißt der Stil wird an das Thema angepasst und nicht umgekehrt! Ich habe zum Beispiel einen Film gemacht über die volkstümliche Religiosität in Lateinamerika, der nicht sonderlich bekannt ist, mit dem Titel La cruz del sur. Der Film ist eine große mystische Beschreibung, sprich die Methode ist die Beschreibung. Es gibt noch nicht einmal Handlung im Sinne von Aktion. Von daher ist es ein Film, der in gewisser Weise etwas mitNostalgia de la luz gemeinsam hat, in dem Sinne, dass er auch spirituell vorgeht – aber gleichzeitig sind sie auch gar nicht vergleichbar. Ich meine also, der Filmemacher des Dokumentarfilms sollte sich in seiner Arbeitsweise immer ans Thema anpassen.


Kasztelan: In Nostalgia de la luz sehen wir Frauen, die sich auf eine Suche nach individuellen Schicksalen begeben. Sie suchen ihre Angehörigen. Wie hat man die Frauen überzeugt, diese persönlichen Schicksale zu nehmen und zum Wohle einer gesellschaftlichen Aufklärung in den Film einzubinden? Wie geht man da vor?


Guzmán: Das ist eigentlich nicht so schwierig, weil diesen Frauen sehr daran gelegen ist, erzählen zu können, was ihnen passiert ist, da sie über so viele Jahre völlig ignoriert worden sind. Sie sind auch sehr gut organisiert und bevor sie sich bereit erklären, informieren sie sich darüber, wer den Film macht und für wen und warum. Die sind nicht so unbedarft und haben eben Erfahrung.

Als wir dann in Kontakt getreten sind, hat sich langsam eine freundschaftliche, eine vertrauensvolle Beziehung herausgebildet. Ich besitze eine sehr behutsame Methode des Interviews: Ich fange sehr entfernt vom Thema an, so weit entfernt wie nur möglich. Beispielsweise frage ich, was ihre Eltern so gemacht haben und so nähere ich mich den zentralen Fragethemen. Es kann sein, dass ein Interview drei oder vier Tage dauert. Ich wiederhole niemals die gleiche Frage, aber ich komme langsam immer näher. Stoße ich auf ein Problem oder auf Widerstand, trete ich wieder einen Schritt zurück, weil ich glaube, dass man die Person nicht drängen kann, um dass sie das sagen zu lassen, was ich hören möchte, das kann man eigentlich nie machen. Denn der erste, der das merkt, ist der Zuschauer. Er fragt sich dann sofort: „Was stimmt hier nicht?“.

Ein Problem hatte ich mit Valentina, der jungen Frau am Schluss des Films. Sie hat gesagt, sie wäre einverstanden mit dem Projekt, aber sie fühlte sich nicht vorbereitet, ihre persönliche Geschichte vor der Kamera zu erzählen, das konnte sie noch nicht tun. Ich habe aber gesagt: „Das macht nichts, wir bleiben einfach in Kontakt.“ Ich habe ihr dann geschrieben, was ich gefilmt habe, so nach und nach, ungefähr einmal im Monat. Nach sieben Monaten hatte ich eine Montageversion des Films fertig. Ich bin dann nach Chile geflogen, bin zu ihr gegangen und habe ihr diese Version gezeigt. Dann hat sie gesagt: „Morgen gebe ich dir das Interview.“ Das ist das erste Mal, dass sie ihre Geschichte vor der Öffentlichkeit erzählt und auch noch im Beisein ihrer Großeltern.
 

Kasztelan: Was ich interessant finde, ist, dass Sie erwähnten, dass die Frauender desaperecidos sich erst einmal angucken: „Wer ist das, wer möchte damit uns reden?“ Haben in Chile Menschen, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und dafür ihre Stimme erheben, viele schlechte Erfahrungen gemacht?

 

Guzmán: Ja,sie haben schlechte Erfahrungen gemacht, weil sie am Anfang natürlich immer bereit waren, weil sie viel erzählt haben, wiederholt erzählt haben. Das Ergebnis dieser Mühen waren dann oft nur drei Zeilen in irgendeiner Zeitung, also sehr wenig, oder die Berichterstattung war sehr verwischt. Man muss dabei bedenken, dass die chilenische Presse sich politisch rechts positioniert. Auch das staatliche Fernsehen ist ein kommerzielles Fernsehen, welches kein Interesse hat an der Vergangenheitsbewältigung.

 

Kasztelan: Hat der chilenische Film generell seinen Platz in der Vergangenheitsbewältigung Chiles?

 

Guzmán: Ja! Ich habe vor sechzehn Jahren in Santiago de Chile ein Dokumentarfilmfestival gegründet und in den ersten Jahren hatten wir ein Publikum von ungefähr hundert Personen, manchmal waren es auch nur zwanzig und einmal haben wir eine Filmvorführung sogar ausfallen lassen, weil einfach gar keiner gekommen ist. Inzwischen sind wir auf zwölftausend Zuschauer gekommen, hauptsächlich Studenten, und es hat sich daraus eine solide Dokumentarfilmbewegung herausgebildet, wo es gleichzeitig ältere undjüngere Filmemacher gibt; Es gibt Leute meiner Generation und auch ganz junge. Weiterhin gibt es auch eine Vereinigung der Dokumentarfilmer, die habe nungefähr tausend Mitglieder, wovon jedoch filmisch aktiv lediglich dreißig sind und davon gibt es wiederum sechs, die sich auf die Verarbeitung der Vergangenheit spezialisieren – die machen sehr interessante Sachen!

Ich denke, auf lange Sicht ist die filmische Aufarbeitung der Vergangenheit und Erinnerung abgesichert. Es ist natürlich eine kleine Bewegung, aber es ist nicht so wichtig, dass es eine kleine Bewegung ist – dass es sie gibt, das ist das Wichtige!

 

Pötting: Ich bin kürzlich auf einer Konferenz in Berlin gewesen, wir haben über Filme übermemoria gesprochen, speziell über den argentinischen Film Los rubios von Albertina Carri. Hinterher bin ich von den Seminarteilnehmern gefragt worden, ob man die Filme über die Vergangenheitsbewältigung aus Argentinien in einen gesamtlateinamerikanischen Zusammenhang stellen kann, ob es da Vergleichsmöglichkeiten gibt.

 

Guzmán: (überlegt) Das kann ich nicht wirklich beantworten.

 

Pötting: Das war auch meine Antwort!

 

Guzmán: Ja,so hat beispielsweise der brasilianische Filmemacher Eduardo Coutinho vor zwanzig Jahren einen Film gemacht, und es gibt wenig Filme, die mit diesem vergleichbar wären. Argentinien hat eine andere Art, die Vergangenheit zu erfassen und in Chile gibt es viele neue, junge Filmemacher und daher ist das alles nicht zu vergleichen. In Chile haben wir eine Vorherrschaft autobiographischer Filme, wo die Jungen erzählen, was ihnen selbst passiert ist. Sie sind sehr selbstbezogen, aber trotzdem machen sie gute Filme! Es gibt zum Beispiel viele Frauen oder auch Männer, die die Geschichte ihres Vaters erzählen, der verschwunden ist. So gibt es eine junge Frau, die erzählt, wie sie von ihren Eltern in Kuba abgegeben worden ist, weil ihre Eltern zum Kampf zurück nach Chile gegangen sind.

Außerdem gibt es immer noch chilenische Dokumentarfilmer, die nicht nach Chile zurück gekehrt sind, die also im Ausland leben und arbeiten, aber trotzdem das gleiche Thema bearbeiten, die Vergangenheit eben. In Kanada gibt es zum Beispiel zwei, zwei weitere in Berlin und ich lebe in Paris. Das heißt, alle haben wir die Absichtweiterzumachen und wir werden auch weitermachen. Aber es ist nicht auf Chile konzentriert, denn auch wenn wir außerhalb leben, machen wir mit dem gleichen Thema weiter. Wir haben zum Beispiel auf dem Festival in Chile eine Auswahl chilenischer Filme, wo wir gleichzeitig die, die außerhalb Chiles gemacht werden, in die chilenische Auswahl mit hinein nehmen, weil das Thema interessanter ist als der Wohnort des Filmemachers selbst.

Aber die Frage war ja jetzt eine andere... Es gibt in dem Sinne nichts vergleichbares, dass man sagen könnte, die Vergangenheitsbewältigung wird überall so oder sogemacht. Man könnte noch mehr Beispiele nennen, zum beispielsweise den Mexikaner Juan Carlos Rulfo. Er hat einen Film gemacht mit dem Titel Del olvido al no no me acuerdo (1999), also eine Art Sinnbild. In seinem ersten Film, den er gemacht hat, El abuelo Cheno y otras historias (1994), auch ein autobiographischer Film, kehrte er in das Dorf seines Großvaters zurück, also auch ein Film über die Vergangenheit. Und die Kubaner haben natürlich über ihre Nationalhelden Filme gemacht, Dokumentarfilme über José Martí, Pueblos sin camino, hauptsächlich mithilfe von Archivmaterial, auch sehr interessant. 
 
 
 

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