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WASTE LAND

In einigen Kinos in Deutschland ist derzeit noch Lucy Walkers Dokumentation WASTE LAND zu sehen.

Am Rande der ruhmreichen Einkaufsstraße von Buenos Aires, der Florída, steht die  „Galería Pacifico.“ In den 40er Jahren gestalteten in dem prachtvollen Belle Epoque-Bau aus dem 19. Jahrhundert, der optisch an die Gallerie „Vittorio Emanuele II.“ in Italien anschließen soll, berühmte argentinische Künstler wie Lino Spilimbergo oder Antonio Berni Deckenfresken, die zu den wichtigsten und schönsten des Landes zählen. In den frühen 90er Jahren, als Argentinien unter der Präsidentschaft Carlos Menems zum neoliberalen Vorzeigestaat ummodelliert wurde, wurde die „Galería Pacifico“ zu einer luxuriösen Shoppingmall ausgestaltet. Angeschlossen ist ein Design-Hotel, das seinem Namen – „Esplendor“ – alle Ehre machen will. In dessen Foyer findet sich ein Bild der argentinischen Volksheldin „Evita“ in der Größe von etwa 1,50 Meter mal 1,50 Meter, das nicht durch seine Qualität oder Motivwahl irritiert – es zeigt Eva Perón gut zu erkennen in klassischer Pose – nein, es irritiert durch seine Textur. Beim Blick auf die erklärende Tafel erfahren wir, dass das Porträt von „Evita“, der Heldin der descamisados, die die ärmsten der Armen mit Almosen beschenkte und so ihre Wählerstimmen sicherte, aus Brot gefertigt wurde. Bei sehr naher Betrachtung sehen wir also die besondere Materialität des Bildes, gehen wir einige Schritte zurück, erkennen wir das  Abgebildete, beim Studium der Texttafel erkennen wir die Intention, die hinter der Arbeit steckt. Verlassen wir Hotel und die „Pacifico“, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir eine Gruppe von cartoneros sehen, diese Kartonsammler, welche die Abfälle nach recycelbaren Stoffen durchsuchen, die sie an Müllsammelstellen verkaufen können. Die cartoneros sind seit dem Krisenjahr 2002 fester Bestandteil des Stadtbildes, seit die Armutsquote nach dem Staatsbankrott kurzzeitig auf 54 % (anteilmäßig an der Gesamtbevölkerung) gestiegen ist, noch nie so viele Menschen in Argentinien so  arm waren, noch nie so viele Menschen, die arbeiteten, trotzdem als arm galten. Parallel dazu ist die Zahl der Menschen, die in den Villas, den Armenvierteln, in aus Abfallmaterialien  gebauten Hütten leben mussten, stark gestiegen. 

Gehen wir in ein einfaches Café in der Umgebung, können wir mit großer Sicherheit Personen in einstmals schicken, jetzt aber abgetragenen Anzügen sehen, die ihre letzten Pesos zusammengekratzt haben, um sich einen Café con leche leisten zu können.  Effekt der Krise war es auch, dass ein bedeutender Teil der Mittelklassen eine Verschlechterung ihres Einkommensniveaus und die Erosion sozialer Sicherheiten erleben musste und nun an der Armutsgrenze lebt. Mittlerweile hat sich das Land offiziell von der Krise erholt, die Situation ist aber immer noch fragil. Diejenigen, die heute noch oder wieder zur unteren Mittelklasse gehören, könnten jederzeit unter die Armutsgrenze sinken. 

Fokus dieses Artikels soll der in Brasilien angesiedelte Film WASTE LAND sein. 

 

In ihrem Film WASTE LAND, der im Fokus dieses Artikels stehen soll, präsentiert uns die britische Regisseurin Lucy Walker in der ersten Sequenz einen Ausschnitt aus einer brasilianischen Late-night-Show. Obwohl er nur einer der Protagonisten in der  preisgekrönten brasilianisch-britischen Dokumentation von 2010 ist, gehören die ersten Minuten von Lucy Walkers Film dem Stargast der Talksshow:  Vic Muniz. 

Vic Muniz, geboren 1961 in Sao Paolo, wird in den ersten Minuten des Films auf klassische Weise porträtiert. Seine Geschichte ist eine Aufsteigergeschichte. 

Er, der in seiner Jugend den Mangel erlebte, arbeitete sich mit Talent, brillanten Ideen und sehr viel Ehrgeiz hoch und zählt heute zu den größten Stars der internationalen Kunstszene. Seine Ausstellung im MoMa in Rio hatte mehr als eine Million Besucher. Die Materialien, die er in seinen Arbeiten einsetzt sind „natürlich“, er arbeitet mit beispielsweise Dreck, Zucker, Sirup,  Erdnussbutter, Staub, Erde, Diamanten (bei einem Porträt Elisabeth Taylors). Beim ersten Sehen von WASTE LAND lag es natürlich nahe, an das EVITA-Porträt aus Brot und an all die anderen Porträts im bonarensen Luxushotel zu denken. 

Vic Muniz hat ein soziales Gewissen: jetzt, wo er es zu Wohlstand gebracht hat, möchte er seinem Land etwas zurückgeben und möchte seinen Ruhm dafür nutzen. In WASTE LAND erleben wir die Genese eines besonderen Projektes mit. Auf der Deponie des „Jardim Gramacho“ landet ein Großteil (etwa 70 Prozent) der Abfälle der Millionenstadt Rio de Janeiro, auch der „Luxusmüll“ der Reichen. Über 2000 Menschen leben im Umfeld der Müllkippe und verdienen ihren eigenen Lebensunterhalt dort. Es gibt wohl kaum jemanden, der dort diese Arbeit freiwillig macht. Die Arbeiter von Jardim Gramacho sind dazu gezwungen, um auf legale und anständige Art und Weise (d.h. ohne sich zu prostituieren oder Drogen zu verkaufen), ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nicht wenige – und hier haben wir wieder die Bezüge zu Buenos Aires -  sie sind durch Wirtschaftskrisen oder widrige Umstände aus der Mittelklasse und damit auch aus dem Bewusstsein der meisten Menschen abgerutscht – und so in der stinkenden, trostlosen Umgebung gelandet.  Ihre Arbeit ähnelt derjenigen der cartoneros. Recyclebarer Materialien werden herausgesucht, sortiert und verkauft. Vik Muniz besucht die „Catadores“, die Pflücker, wie sie sich nennen und die seit geraumer Zeit in Gruppen organisiert sind und eine Art Gewerkschaft gründen wollen. Das Kamerateam von Lucy Walker folgt Muniz, wie er einzelne charismatische Arbeiter aus der großen Gruppe heraussucht, sie kennenlernt, sie interviewt und langsam darauf vorbereitet, in seinem Projekt mitzuwirken.  Auch wir lernen durch die in der Dokumentation gezeigten Interviews sieben Personen kennen, die pars pro toto für die Schicksale und Lebensläufe der meisten Arbeiter stehen, lernen eine Kleingruppe kennen, in der ein großes Gefühl des Zusammenhaltes besteht und erkennen in dem Mikrokosmos von Jardim Gramacho auch ein vages Spiegelbild einer brasilianischen Großstadtgesellschaft wieder.

Muniz fotografiert diese Cotadores, inszeniert sie in Posen, die ihrem Charakter entsprechen. Es versteht sich fast von selbst, dass Muniz keine Elendsfotografie betreibt. Diese Aufnahmen werden schließlich in einer provisorischen Arbeitshalle auf den Boden projiziert und – entsprechend den Konzepten früherer Kunstwerke von Muniz – mit ihren Arbeitsmaterialien, also mit Sammelgut, Dreck, Flaschen etc. nachgezeichnet. Diese Müllporträts werden wiederum wieder fotografiert und sollen versteigert werden. Die Erlöse kommen der „Müllwerkergesellschaft“ zu Gute. Der bewegendste Moment des Films ist, wenn Tiao, belesener und charismatischer Vordenker und Organisator der Gewerkschaft, Muniz nach London begleitet, wo Tiaos Porträt (er selber wurde als Caravaggios toter Marat inszeniert) für 60.000 Pfund versteigert wird. 

Lucy Walkers Film ist eine sehenswerte Dokumentation, die ein verdrängtes Thema an die Öffentlichkeit bringt. Menschen, die durch die Art ihres Jobs in der brasilianischen Gesellschaft stigmatisiert sind und oft unwürdig behandelt werden, werden mit Würde porträtiert. Ein Film, der auch Argentiniens Regisseur Pino Solanas, der vor wenigen Jahren eine Dokumentation mit dem Titel LA DIGNIDAD DE LOS NADIES vorgelegt hat, von der Idee her gefallen könnte. Darüber hinaus handelt es sich bei WASTE LAND auch um ein äußerst komplexes Werk. Es ist eine Art Meta-Dokumentation, in der über die Folgen einerseits des Projektes und andererseits auch des Films diskutiert wird. In einer Diskussionsrunde fragen sich die Künstler, ob ihre Intervention negative Auswirkungen und Folgen haben wird. Ist es legitim, die Arbeiter, die sich vorher mit ihrem Schicksal abgefunden hatten,  kurzfristig aus ihrem Umfeld herauszuholen, ihnen kurz eine andere Welt zu zeigen , ihnen  ihre „15 Minuten Ruhm“ zu gewähren und sich dann aus ihrem Leben wieder zu verabschieden, sie dann wieder auf den stinkenden Müllbergen alleinzulassen?

Einige der Porträtierten bettelten Muniz im Vorfeld der Diskussion geradezu an, sie weiterzubeschäftigen. Muniz reagiert distanziert, mit einem einnehmenden und unverbindlichen Lachen. 

Die Diskussion hat das Ergebnis, dass die Künstler den Versuch wagen wollen. Auch Walker stimmt ihrer Argumentation zu und versucht nahezu übertrieben – und damit auch an der Grenze zum Kitsch – durch ihre Kamerabilder, diese Entscheidung zu legitimieren. Die Auswirkungen des Transformationsprozesses, der durch die Künstler initiiert wurde, werden in einem ausführlichen Epilog dargestellt. 

 

Artikel zum Thema oder zu Filmen mit ähnlicher Thematik finden sich im LEXIKON von kinolatino.de

Weitere Informationen zu WASTE LAND finden sich auf der Homepage des Verleihs "Real Fiction".

Unter anderem wird WASTE LAND an folgenden Tagen an folgenden Orten gezeigt:

Alpirsbach   Subiaco   01.-07.09.2011    

Bamberg   Lichtspiel   28.07.-03.08.2011    

Braunschweig   Roter Saal   20.10.2011    

Bremerhaven   Cinemotion   31.08.2011    

Freudenstadt   Subiaco   08.-14.09.2011    

Holzkirchen   Foolskino   01.-14.09.2011    

Ingolstadt   Audi-Programmkino   17.08.2011    

Kirchberg   Klappe   04.-17.08.2011    

Köln   Odonien   02.08.2011   Open Air  

Konstanz   Scala   20.10-26.10.2011    

Leipzig   Cinematheque   25.-31.08.2011    

Leutkirch   Centraltheater   25.08.+26.08.2011    

Ludwigsburg  Caligari   23.+24.+27.07.2011    

Lüneburg   Scala   04.-10.08.2011    

Münster   Cinema   31.07.+10.08.2011    

Penzberg   Kino P   18.08.-31.08.2011    

Potsdam   Thalia   19.08.2011    

Rostock   Wundervoll   21.-27.7.2011    

Tübingen   Arsenal   31.08.2011    

Weingarten   Linse   29.09.-05.10.2011    

Weiterstadt   Kommunales Kino   02.-04.09.2011    

Wuppertal   CinemaxX   26.08.2011   Reihe 50+  

        

        

        

        

        

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