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Francisco de Miranda - das venezolanische Kino und der Historienfilm

Im Rahmen der "Bicentenario"-Filmreihe im Berliner Zeughauskino konnte man eine weitgehend unbekannte Filmkultur kennenlernen.

 

Venezuelas Filmindustrie kann mit der,der großen lateinamerikanischen Länder, Brasilien, Argentinien und Mexiko nicht in Konkurrenz treten,man kann sie aber als aufstrebend bezeichnen. Wurden aus diesem Land an derKaribikküste Filme früher nur vereinzelt wahrgenommen, hat sich die Situationseit den späten 90er Jahren verändert. Die Zahl der Filmproduktionen hat sich kontinuierlich– auch dank neuer gesetzlicher Regeln - auf etwa 10-20 pro Jahr erhöht und auf diesem Niveaustabilisiert, Regisseurinnen und Regisseure wie Alberto Arvelo, SolveigHoogestejn oder Luis Alberto Lamata sind Dauergäste auf internationalenFilmfestivals.

In jedem Bericht, in jedem Artikel überVenezuela ist zu sehen und lesen, wie stark der seit 1998  amtierende Regierungschef Húgo RafaelChávez Frías polarisiert und wie sehr seine Politik auch die ideologischenGräben innerhalb der venezolanischen Gesellschaft vertieft. OhneAuf die dortige Filmpolitik bezogen bedeutet dies: es gibt zweiGruppen von Filmemachern. Die eine Gruppe ist auf Regierungslinie einzuordnenund kann auf staatliche Filmförderung hoffen, die andere nicht. Auch hier gibtes also die Aufspaltung in Gefolgsleute und Gegner.

Zu den Inhalten: Gewalt im Zusammenhangmit Korruption, Wirtschaftskrise, Drogenkriminalität und Armut sind imlateinamerikanischen Kino allgemein immer wieder auftauchende Topoi. Imvenezolanischen Kino sind sie aber nicht immer gerne gesehen. Der amHollywood-Kino orientierte Thriller SECUESTRO EXPRESS ist der landesweiterfolgreichste Film aller Zeiten (was die Zuschauerzahlen im Kino angeht, aberauch die Raubkopienverkäufe). Regisseur Jonathan Jakubowicz ist aber eher denIndependent-Regisseuren zuzurechnen, er wurde für seinen filmischen Blick indie sprichwörtliche Hölle des Metropolen-Moloch von Caracas von Regierungsseitestark kritisiert, er musste seine Ideen mit eigenem Geld umsetzen. Ein Gegenbeispielist die poetisch-realistische Robin-Hood-Geschichte CYRANO FERNÁNDEZ, eineAdaption von CYRANO DE BERERAC. Hier geht es zwar auch über das Leben undÜberleben und den Versuch in einer von Gewalt geprägten Welt, seine Würde zubewahren, aber auch darum, Gerechtigkeit herzustellen und den Traum, demKreislauf der Gewalt zu entkommen. Der Film zeichnet ein eher positiveres Bild.Regisseur Alberto Arvelo ist eher der Gruppe der Chávez-Anhänger zuzuordnen.Arvelo ist für seinen Film TOCAR Y LUCHAR über ein nationales Prestigeprojektbekanntgeworden, das staatliche venezolanische Jugendorchestersystem.

Auffällig ist mit einem Blick aufVenezuelas Filmgeschichte die immer wiederkehrende Beschäftigung mit diesem nationalenMythos und Identitätsstifter. Bereits in den 60er Jahren war Maximilian Schellin der italienisch-venezolanischen Ko-Produktion in der titelgebenden Rolle alsLibertador zu sehen. Zuletzt schuf die junge Regisseurin Efterpi Charalambidismit LIBERTADOR MORALES eine Figur, die im modernen Caracas versucht, nach denIdeen Bolívars zu leben. Der mit einigen Festivalpreisen ausgezeichnete Filmerzählt seine Geschichte in ironisch – melancholischer Weise und spieltgleichzeitig persiflierend mit dem Genre des „Robin-Hood“-Films.

LIBERTADOR MORALES gehört auch zu derersten Gruppe, zu den unabhängigen Produktionen. Zu den regierungsnahenRegisseuren ist wiederum Luis Alberto Lamata zu zählen. Sein Film MIRANDAREGRESA aus dem Jahr 2007 präsentiert das Leben des Vorkämpfers derUnabhängigkeit Francisco de Miranda. Peter B. Schumann schrieb einst, dievenezolanischen Filmemacher verzichteten bewusst auf cineastische Kunstwerke,weil sie das Massenpublikum erreichen und nicht für eine intellektuelle Eliteoder für europäische Cineasten produzieren wollen. Ihr Ziel sei ein nationalesKino, ein populäres Kino, mit dem der einheimische Markt zu erobern sei. PeterSchumann schrieb dies zwar zu Beginn der 80er Jahre, in Bezug auf MIRANDAREGRESA scheint dieses Diktum aber immer noch weitgehend zuzutreffen. BeiLamatas Film handelt es sich um eine visuell opulente Großproduktion mit derBeteiligung von mehr als 150 Schauspielern und Komparsen, inklusive einesGastauftrittes des Hollywood-Stars Danny Glover. Gedreht wurde insgesamt indrei Ländern. Es handelt sich bei MIRANDA REGRESA um einen ästhetisch eherkonventionellen Historienfilm, der natürlich komplett auf ironische oderpostmoderne Brüche verzichtet und der sogar auf stilistische Mittel des inLateinamerika äußerst populären Formates der Telenovela zurückgreift. Adressatist eine breite Masse, aber auch die Publikumsschichten, die sonst eher seltenbis gar nicht ins Kino gehen.


Der Film ist im Jahre 1816 angesiedelt:In Erwartung seines nahenden Todes erzählt Sebastián Franciosco de Miranda inspanischer Festungshaft einem jungen Mann, der sich als Journalist ausgibt seinLeben, seine Ziele, seine Ideale, sein Scheitern, seine Enttäuschungen undseine Hoffnungen. Sein Traum ist die Befreiung seiner venezolanischen Heimatvon der spanischen Kolonialherrschaft, mehr noch: er will ein freiesHispanoamerika zwischen dem Río Grande und Feuerland. Er plant eineneinheitlichen lateinamerikanischen Staat mit dem Namen Kolumbien in dem diewahren Ideale der französischen Revolution Freiheit und Gleichheit umgesetzt werdensollen. In biographischer Rückblende wird gezeigt, wie Miranda im Gespräch mitdem Journalisten als Stichwortgeber die wichtigsten Stationen seines LebensRevue passieren lässt.

Betrachtet man das Gesamtwerk LuisAlberto Lamatas, findet man immer wieder Bildkompositionen, die mitunter vongroßer künstlerischer Kraft sind und oft Dichte und Prägekraft von Symbolenerreichen. Auch in MIRANDA REGRESA wird uns von Francisco de Miranda auf dieseWeise das Bild eines charismatischen Visionärs gezeichnet, einesInternationalisten, der seiner Zeit voraus ist, eines glühenden Verfechters derIdeen und Ideale der Aufklärung, eines noblen Vollblutrevolutionärs, einesgewissenhaften, erfolgreichen Militärs, eines integren Mannes aus dem Volke,der mit Hilfe der „einfachen Leute“ gegen alle Widerstände für ihre Rechtestreitet, ein Demokrat, der die Politiker verabscheut, die nur reinwirtschaftliche Interessen im Kopf haben, sprich Vorreiter des Neoliberalismussind. Kurz: Francisco Miranda ist als unermütlicher als soldado de la humanidad dargestellt, der obwohl oft verraten, vonder Inquisition verfolgt und in spanischer Festungshaft stirbt, nichtscheitert. Allerdings ist seine Mission noch nicht beendet, Simón Bolívar habeseine Ideale weitergetragen, nachfolgende Generationen müssten sein  Projekt  vollenden. Das sind seine letzten Worte. Schaut man sichoffizielle Seiten der Republik Venezuela zum Bicentenario an, findet man genaudiese Botschaft in Worte gefasst, wieder: so heißt es beispielsweise: „Concebimos la celebración del Bicentenario de las Independencias, como unproceso vivo y actual, en el que todos debemos participar, porque noscorresponde como generación, consumar  un proyecto, que se inició enel siglo XIX y aún no concluye. Es un proceso con tanta pertinencia  enlo actual, que debemos enfrentar todas las distorsiones  y tergiversaciones  que se pretendan hacer deese proceso." Es ist also offensichtlich, dass MIRANDA REGRESA Ausdruck eines bestimmten Diskurses,Träger einer bestimmten offizialistischen Ideologie ist. Wissenswert ist es,dass es sich bei dem Film um ein Prestigeprojekt für das nationale Kinohandelt, das von Staat bezuschußt und über die 2006 auf betreiben von HugoChavez gegründete, staatseigene Produktionsfirma “Villa de Cine” mit 2, 6Millionen Dollar mitfinanziert wurde. Die Villa de Cine entstand aus demAntrieb, die Dominanz Hollywoods in Venezuela zu brechen, eine Gegeninformationsquelle  zu schaffen.  Die von diesem “Hugowood” produzierten Kurz-, Spiel- undDokumentarfilme sollen Werte und Ziele der bolivarischen Republik sowie  die nationale Kultur und Geschichtevermitteln.Tatsächlich war Francisco de Miranda in der venzolanischenBevölkerung nicht unbekannt, es haftete ihm aber das Bild des gescheitertenRevolutionärs an. Dieses Bild soll auch mittels dieses Films revidiert werden,ein neuer Mythos geschaffen werden. Für Hugo Chávez selbst ist Francisco deMiranda ein politisches Vorbild, eine neu geschaffene, schwer bewaffnete Milizist nach dem Vorkämpfer gegen den Imperialismus benannt. Man darf nicht unterschätzen, wie großdie Überzeugungskraft von Bldern ist und dass Spielfilme zu den wichtigstenInformationsquellen gehören, aus denen die Allgemeinheit ihr Wissen übervergangene Epochen schöpft. Marcus Junckelmann schreibt dazu: „Filmemacherübernehmen eine nicht zu unterschätzende Verantwortung für die Bildung despopulären Geschichtsbewusstseins. Hat sich einmal eine Vorstellung festgesetzt,wird sie zur allgemein akzeptierten, kaum auszurottenen Pseudotatsache, zumFaktoid.“

 MIRANDA REGRESA lief im Oktober 2007 mit45 Kopien an und locate etwa 150.000 Zuschauer in die Kinos. Zum Vergleich –große Hollywoodproduktionen wie AVATAR starteten mit 75 bis 100 Kopien, anderenationale oder lateinamerikanische Filme wurden mit 2 bis 6 Kopien in die Kinosgebracht. Ob der Film auch tatsächlich die ärmeren und vernachlässigtenBevölkerungsschichten erreicht hat, gemeinhin die, die als Anhänger von Chávezgelten, darüber gibt es keine Informationen. MIRANDA REGRESA wurde mittlerweileauch als 5 Stündige Mini-Serie im Fernsehen gezeigt, in Spielfilmlänge wurde erauch als Beilage einer Tageszeitung vertrieben und auch an Schulen verteilt.

Interessant ist es, wie es geschafft wird, Miranda in diesem patriotischen Film in den Pantheon dernationalen Identitätsstifter aufzunehmen und gleichzeitig den größten Heldendes Landes Simón Bolívar nicht anzugreifen und dessen Nachruhm zu beschädigen.Schließlich hatte Bolívar im Jahre 1812 nach dem Scheitern von VenezuelasErster Repbulik seinen ehemaligen “Lehrmeister” Francisco de Miranda, mit demer mittlerweile zerstritten war, im Hafen von La Guaira festnehmen lassen undden spanischen Behörden überstellt – er hat also Miranda in die missliche Lagegebracht, in der er sich am Ende seines Lebens befindet, um sein eigenes Lebenzu retten. Man sagt, er habe sich mit der Auslieferung Mirandas einen Freibriefbei den Spaniern zur Flucht nach Curacao erkauft. Ohne zuviel zu verraten, istes kaum verwunderlich, dass der Liberatdor als Leitfigur Venezuelas und desganzen Subkontinents anders als noch in Gabriel García Márquez Buch “DerGeneral in seinem Labyrinth” NICHT von seinem hohen Podest herabgeholt wird. Erwird auch noch weitere Jahre mit seinem Namen und Prestige, mehr noch alsquasi-Kultfigur für den autoritären Populismus herhalten, den Hugo Chávez seitJahren in dem Land betreibt, dass seit einigen Jahren auch offiziell“Bolivarische Republik Venezuelas” heißt.

 


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