BIRDWATCHERS ist die erste Produktion des  Regisseurs seit 2003. Bekannt geworden ist Bechis durch seinen bewegenden, sehr persönlichen Film über die argentinische Militärdiktatur GARAGE OLIMPO, der hier unter dem Titel JUNTA in den Kinos lief. Marco Bechis wurde 1957 als Sohn einer Chilenin französisch-schweizerischer Abstammung und eines Italieners in Santiago de Chile geboren. Er wuchs in Buenos Aires auf. Im Alter von 20 Jahren wurde der Grundschullehrer von den Schergen der  argentinischen Militärdiktatur für mehrere Tage inhaftiert und später aus politischen Gründen des Landes verwiesen. Er lebt heute vorwiegend in Mailand und Süditalien. Für die Dreharbeiten zu BIRDWATCHERS kehrte er nach Südamerika zurück. 

 

Die Dreharbeiten fanden in Brasilien, in Mato Grosso do Sul statt und waren eine wahre Herausforderung: an der Seite der erfahrenen  Schauspieler Claudio Santamaria (CASINO ROYAL), Matheus Nachtergaele (CENTRAL DO BRASIL , CIDADE DE DEUS ) und Chiara Caselli (JUNTA) spielen etwa 200 Laiendarsteller aus der indigenen Bevölkerung aus dem Stamm der Guarani-Kaiowá. Das Experiment ist geglückt, das Ergebnis ist beeindruckend.

Worum geht es: Eine Großgrundbesitzerfamilie ist im brasilianischen Amazonasgebiet  auf ihrer Fazenda eingeschlossen und wird von Indios belagert. Diese fordern ihre"Identität" zurück.

Das Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturen ist zunächst ein gegenseitiges Beobachten - geprägt von Skepsis, aber auch von einer unerklärlichen Anziehungskraft der jeweils anderen Lebensart. Marco Bechis erklärt in einem Interview mit der italienischen Zeitung L'ESPRESSO den Titel seines Films. Zunächst gebe es eine wörtliche Bedeutung: viele Touristen kämen in diese Region Brasiliens, um seltene Vögel zu beobachten. Die andere Bedeutung von BIRDWATCHERS beziehe sich auf das gegenseitige Beobachten und Kennenlernen: "Was bedeutet der Ausdruck "der Andere"? Wir sind alle "der Andere" für irgend jemanden. Für die Großgrundbesitzer auf ihrer Rinderfarm sind die Indios, die eines Tages vor den Pforten ihres Besitzes stehen "die Anderen". Nach einer Selbstmordwelle unter ihren Jugendlichen, die keinen anderen Ausweg aus ihren schwierigen Lebensverhältnissen gesehen hatten, haben sich Mitglieder ihres Stammes zusammen mit dem Häuptling und dem Schamanen auf den Weg gemacht, mehr Rechte einzufordern. Sie wollen das Land zurück, das die Weißen ihnen einst genommen haben. Aber die Landschaft hat sich verändert, Teile des Urwaldes sind Flächen für die Rinderzucht und für den Soja-Anbau gewichen. Damit hat sich auch die Lebensart der Indios  geändert und sie verändert sich noch mehr durch das Aufeinandertreffen mit den Weißen, die in Villen mit Pools  wohnen. 

Die ersten Begegnungen sind friedlich und von Neugier geprägt, nach und nach vermischen sich die beiden Kulturen, eignen sich Merkmale der jeweils anderen an,  zwischen den Fazenda-Bewohnern und den Ureinwohnern werden Kontakte geknüpft, auch erotische. Besonders die Töchter der Großgrundbesitzer fühlen sich von den gleichaltrigen Mitgliedern des Stammes angezogen. Mit der Zeit sind die Indios aber von der "Kultur der Weißen", von Geld und Alkohol korrumpiert worden, vergeblich versuchen sie ihre ursprüngliche Reinheit wiederzugewinnen. 

Marco Bechis' Drehbuch für BIRDWATCHERS hat im Laufe der Dreharbeiten durch zahlreiche Änderungen,die zum großen Teil auch Vorschlägen der Ureinwohner entstammen, eine andere Gestalt angenommen. Das Ergebnis ist ein Film von großer visueller Kraft mit Dialogen, die auf das Wesentliche reduziert sind. Und dies entspricht auch dem Wesen des Inhalts: Worte führen zu Konflikten, die Sprache der Körper bewirkt das Gegenteil. Kulturelle Anziehung kennt keine Grenzen. Bechis sieht - obwohl BIRDWATCHERS in Südamerika gedreht wurde - eine Allgemeingültigkeit des Films. Die Konflikte mit denen wir uns hier in Europa auseinandersetzen müssen, seien auch nicht so anders als die im Film beschriebenen. 

LA TERRA DEGLI UOMINI ROSSI - BIRDWATCHERS läuft in der Nacht des 10. April 2011 ab 23.35 Uhr in der ARD

 

 

Text: sp + espresso.